Hoffnung für Schlaganfallpatienten durch ein Arzneimittel aus einem anderen Bereich
Schlaganfälle werden entweder durch Hämorrhagien (Blutungen aufgrund von Gefäßrissen im Gehirn) oder durch Gefäßverengungen im Gehirn ausgelöst. Schätzungsweise erleiden weltweit 13,7 Millionen Menschen jährlich einen Schlaganfall, wobei aufgrund von Tod und lebenslangen sensorischen, motorischen oder kognitiven Behinderungen 116 Millionen gesunde Jahre eingebüßt werden, sogenannte behinderungsbereinigte Lebensjahre. Während der letzten beiden Jahrzehnte konnten Entwicklungen in Vorsorge und Behandlung den Anteil der Menschen verringern, die einen Schlaganfall erleiden, während auch die Rehabilitation signifikant verbessert wurde. Trotz dieser Fortschritte steigt die absolute Zahl an Schlaganfällen aufgrund der steigenden Anzahl der über Siebzigjährigen. Einem Bericht zufolge wird die Anzahl der Schlaganfälle zwischen 2015 und 2035 voraussichtlich um 34 % ansteigen. Damit werden Vorsorge und Behandlung rasch zu einer hohen Priorität von Kliniken. Innerhalb der ersten Stunden nach einem Schlaganfall können Patientinnen und Patienten mit Rekanalisationstherapien wie der Thrombolyse behandelt werden, doch weltweit erhält tatsächlich nur ein kleiner Teil von ihnen diese Behandlung. Um sich von einem Schlaganfall zu erholen, können Patientinnen und Patienten Zugang zu Rehabilitationsmaßnahmen erhalten. Diese sind jedoch oft ungenügend und weisen eine begrenzte Wirkung auf. Derzeit gibt es auf dem Markt keine medizinische Behandlung zur Unterstützung der Rehabilitation. Mit Unterstützung der EU plant das Unternehmen Sinntaxis im Rahmen des Projekts SINSTRO, das Arzneimittel SIN020 in der Rehabilitation von Schlaganfällen einzusetzen. Da es sich schon für eine andere Krankheit in der klinischen Entwicklung befand, kann es nun direkt in einer klinischen Phase-II-Studie getestet werden.
SIN020 – das umfunktionierte Arzneimittel
SIN020 ist ein Hemmstoff des metabotropen Glutamatrezeptors mGluR5 und kann als Hauptbestandteil von Neurotransmittern die Reaktion des Gehirns auf einen Schlaganfall modulieren. Es konnte gezeigt werden, dass SIN020 bei Tiermodellen funktioniert, wo es die Gehirnkapazität steigerte. Dadurch konnte sich das Gehirn vom Schlaganfall erholen und verlorene Funktionen wiedererlangen. Bei Tests an Mäusen und Ratten, die einem experimentellen Schlaganfall ausgesetzt und mit einem experimentellen mGluR5-Hemmstoff behandelt wurden, stellte sich heraus, dass eine Behandlung, die zwei bis zehn Tage nach dem Schlaganfall begonnen wurde, die Funktion der Gliedmaße erheblich verbesserte. Außerdem hielt diese Wirkung auch nach Absetzung des Medikaments an. „In klinischen Situationen könnte noch weit nach 4,5 Stunden, dem therapeutischen Zeitfenster für die Thrombolyse, mit dieser Behandlung begonnen werden. Das bedeutet, dass im Grunde genommen alle Schlaganfallpatienten mit dem Arzneimittel behandelt werden könnten“, erläutert Forschungsleiter Tadeusz Wieloch.
Die Lösung für ein ungelöstes medizinisches Problem
Die erfolgreiche Entwicklung von SIN020 könnte die Gehirnfunktion nach einem Schlaganfall steigern und bei Schlaganfallpatienten zu einer erhöhten Lebensqualität führen. Außerdem senkt sie die Wohlfahrtsausgaben für Schlaganfälle, die für das Jahr 2010 auf 64 Mrd. EUR geschätzt werden. „Was besonders aufregend ist: Da es sich um einen Wirkstoffkandidaten handelt, der schon anderweitig getestet wurde, ist ein Großteil der Vorarbeit bereits getan. Dies verkürzt die Entwicklungszeit, wodurch er schneller zu den Patienten kommt“, sagt Projektleiter Tomas Eriksson. Sinntaxis plant momentan eine klinische Studie zum Wirksamkeitsnachweis, die innerhalb der nächsten 12-18 Monaten starten soll.
Schlüsselbegriffe
SINSTRO, Schlaganfall, Arzneimittel, Wohlfahrt, Gehirnfunktion, Thrombolyse, therapeutisch, Rekanalisationstherapien, Rehabilitation, mGluR5-Hemmstoff, Patient