Schöne neue Welt? Prototyp einer künstlichen Gebärmutter bietet Hoffnung für Frühgeborene
Nachdem Forschende in den Vereinigten Staaten 2017 gezeigt haben, dass eine künstliche Gebärmutter ein frühgeborenes Lamm am Leben erhalten konnte, war dies für viele ein Schritt in eine Zukunft aus Aldous Huxleys Roman „Schöne neue Welt“. Aber die Bemühungen um die Entwicklung eines Systems zum Schutz extrem frühgeborener Babys enthält nicht einfach nur Anleihen einer Dystopie. Im Erfolgsfall könnte eine künstliche Gebärmutter sehr vieles verändern, und diesbezügliche Forschungsarbeiten haben sehr stark vom EU-finanzierten Projekt PLS (Perinatal Life Support System: Integration of Enabling Technologies for Clinical Translation) profitieren können. Das Projekt PLS, das von einer interdisziplinären Gruppe aus Wissenschaft und Industrie geleitet wird, hat zum Ziel, die Überlebensrate von extrem frühgeborenen Säuglingen außerhalb des Körpers zu erhöhen. Dabei gelten Frühgeborene als solche Babys, die vor Ablauf der 37. Schwangerschaftswoche lebend geboren werden. Als extrem früh geborene Babys werden Säuglinge bezeichnet, die vor Ablauf der 28. Woche geboren werden. Laut eines Informationsblattes der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gibt es jedes Jahr schätzungsweise 15 Millionen Frühgeborene, das entspricht einem Zehntel aller Neugeborenen pro Jahr.
Überlebenschancen
In einem WHO-Bericht heißt es, dass nur die Hälfte der nach 24 Wochen (4 Monate zu früh) geborenen Babys in Ländern mit hohem Einkommensstandard überleben. Die Überlebenden leiden oft unter lebenslangen chronischen Erkrankungen wie neurologischen und metabolischen Störungen, Atemwegskomplikationen, Seh- oder Hörstörungen. Das Team hinter PLS hofft, zu einer Änderung dieser Zustände beitragen zu können. In einer Pressemitteilung der Technischen Universität Eindhoven (Tu/e), die die Projektkoordination innehat, sagt Prof. Guid Oei: „Es ist unser Ziel, extrem frühgeborenen Babys mit unserer künstlichen Gebärmutter dabei zu helfen, die kritische Zeit von 24 bis 28 Wochen zu überstehen.“ Er fügt hinzu: „Mit jedem Tag, an dem sich in einer künstlichen Gebärmutter ein Fötus von 24 Wochen entwickelt, steigen seine Überlebenschancen. Wenn wir in der Lage sind, die fetale Entwicklung dieser Kinder in der künstlichen Gebärmutter auf 28 Wochen zu verlängern, können wir das größte Risiko einer vorzeitigen Sterblichkeit auf 15 % reduzieren.“ Anders als derzeit genutzte Inkubatoren wäre das Baby in der künstlichen Gebärmutter von Flüssigkeiten umgeben und würde über eine Nabelschnur mit einer künstlichen Plazenta Sauerstoff und Nährstoffe aufnehmen können. Für die Entwicklung der künstlichen Gebärmutter werden verschiedene Techniken eingesetzt, erwähnt Prof. Frans van de Vosse von der TU/e. In der gleichen Pressemitteilung sagt er: „Das System, das dies ermöglicht, überwacht lückenlos den Zustand des Babys. Dazu zählen die Herzfrequenz und die Sauerstoffversorgung, aber auch Gehirn- und Muskelaktivitäten.“ Eine Gruppe, die an dem Projekt beteiligt ist, „entwickelt eine fetale Übungspuppe, die extrem frühe Babys auf der Intensivstation genau simulieren kann", heißt es in der Pressemitteilung. „Dies ermöglicht die Evaluierung der künstlichen Gebärmutter in einer realistischen Testumgebung, bevor Sie in Kliniken eingesetzt werden kann.“ Das Projekt PLS startete im Oktober 2019. „In den kommenden fünf Jahren werden wir diese Techniken in europäischer Zusammenarbeit weiter erforschen und testen, bis wir einen ersten Prototyp einer künstlichen Gebärmutter realisieren können", sagt Prof. Oei. Weitere Informationen: Projekt PLS
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