Verwaltungslasten sind bald passé
Es ist nicht ungewöhnlich, dass EU-Bürgerinnen und -Bürger einen ganzen Tag ihres bezahlten Urlaubs einzig und allein damit verbringen, Dokumente von einer Verwaltungsstelle zur nächsten zu bringen. Frustrierend, nicht wahr? Glücklicherweise hat die EU 2018 mit der Verordnung über die Einrichtung eines einheitliches digitales Zugangstor entschieden, dies zu ändern. Bis Ende 2023 sollen wichtige Informationen nur einmal angegeben werden. Fahrzeugzulassungen, Adressänderungen oder Rentenleistungsansprüche erfolgen über eine einzige Online-Plattform, auf die alle Verwaltungsstellen zugreifen können. Hierbei handelt es sich um das Prinzip der einzigen Anlaufstelle. Ein zentrales Beispiel für die erfolgreiche Umsetzung dieses Prinzips im Bereich des sozialen Schutzes ist das Geburtenverzeichnis und die Familienbeihilfe in Österreich. „Wenn ein Kind geboren wird, brauchen die Eltern nur einmal in das Bürgerbüro ihrer Stadt gehen. Sie bringen ihren Personalausweis mit und das genügt: Für den Eintragungsprozess und die damit einhergehenden Verfahren sind keine weiteren Dokumente erforderlich. Die Gesundheitskarte des Kindes und der Antrag auf Kindergeld werden außerdem automatisch ausgestellt. In diesem Fall sinkt die Belastung und der Aufwand für die Eltern drastisch, und die öffentlichen Verwaltungsstellen profitieren ebenfalls von intelligenteren Verfahren und hochwertigeren Daten“, sagt Prof. Dr. Maria Wimmer, Koordinatorin von SCOOP4C (Stakeholder community for once-only principle: Reducing administrative burden for citizens) und Vorsitzende der Forschungsgruppe eGovernment am Institut für Wirtschafts- und Verwaltungsinformatik der Universität Koblenz-Landau. SCOOP4C ist neben dem TOOP-Projekt einer der Grundpfeiler der Infrastruktur für einzige Anlaufstellen. Während das letztgenannte Projekt Prinzipien der einzigen Anlaufstelle in ganz Europa erforscht und demonstriert, werden im Rahmen von SCOOP4C ein Verzeichnis der bestehenden Lösungen angefertigt, bewährte Verfahren ermittelt und politische Empfehlungen bereitgestellt. „SCOOP4C hat ideale Szenarien für ein grenzübergreifendes Prinzip der einzigen Anlaufstelle entwickelt. Es demonstriert, wie dieses Prinzip in Bereichen wie Gesundheit, Bildung, Besteuerung, Adressänderung und sozialer Schutz realisiert werden kann. Es hebt ebenfalls die Vorteile für Bürger wie auch Verwaltungsstellen hervor“, sagt Prof. Dr Wimmer. Das Projekt war im Wesentlichen der Ermittlung von Fällen – Fällen, in denen öffentliche Dienstleistungen erbracht werden und Bürgerdaten zwischen öffentlichen Dienststellen ausgetauscht und gemeinsam verwendet werden – sowie Wegbereitern des Prinzips der einzigen Anlaufstelle gewidmet. „Wegbereiter bezeichnet die Grundbausteine, die die Umsetzung von Fällen in unterschiedlichen politischen Bereichen unterstützen. Beispiele hierfür sind: zentrale Infrastrukturen für die Weitergabe und gemeinsame Verwendung von Daten; semantische und technische Architekturen; Lösungsbausteine; wie auch organisatorische, rechtliche und politische Wegbereiter“, erklärt Prof. Dr. Wimmer. Das Projekt, das eine aus 810 Interessengruppen bestehende Gemeinschaft zusammenführte, ermittelte erfolgreich 56 Fälle und 35 Wegbereiter für das Prinzip der einzigen Anlaufstelle, bevor diese über eine Wissensbasis zugänglich gemacht wurden. Doch SCOOP4C liefert auch wichtige Einblicke in den aktuellen Zustand des Prinzips in Europa. Es beweist vor allem, dass solche Lösungen zwar nicht weit verbreitet sind, deren Realisierung jedoch erhebliche Vorteile für Bürger und Verwaltungsstellen mit sich bringt. Hierzu zählen ein geringerer Zeit- und Arbeitsaufwand für öffentliche Dienststellen, hochwertigere Daten, die schnellere und einfachere Dienstleistungserbringung, eine wesentliche Senkung der Verwaltungslasten und mehr Bürgerzufriedenheit. Neben der Wissensbasis zählen zu den wichtigsten Projektergebnissen fünf grenzübergreifende Szenarien für spezifische Bereiche, Fahrpläne zur Erreichung des Prinzips der einzigen Anlaufstelle, ein Plan für die Miteinbeziehung der Interessengruppen sowie neun wichtige politische Empfehlungen. Obwohl SCOOP4C jetzt abgeschlossen wurde, haben die Projektpartner vor, ihr Fachwissen einzusetzen, um den Weg in die Zukunft der Umsetzung des Prinzips der einzigen Anlaufstelle zu weisen. Die Wissensbasis wird gepflegt, während die Wissensvermittlungs- und Kommunikationspläne hinsichtlich der Fahrpläne und politischen Empfehlungen fortgesetzt werden.
Schlüsselbegriffe
SCOOP4C, einheitliches digitales Zugangstor, Prinzip der einzigen Anlaufstelle, Verwaltungslasten