Zellen zur Kontrolle der Blut-Hirn-Schranke identifiziert
Die Blut-Hirn-Schranke (BHS) schützt das Gehirn vor im Blut zirkulierenden toxischen Substanzen, erschwert als hochselektiver Filter aber auch die medikamentöse Behandlung von Gehirnerkrankungen. EU-finanzierte Forscher aus Schweden befassten sich nun mit einem weiteren Bauteil der BHS, das neue Therapiemöglichkeiten für eine Reihe von Erkrankungen eröffnet. Die im Fachblatt Nature vorgestellte Studie sieht in diesen Perizyten (auch Rouget-Zellen genannt) eine Möglichkeit zur Lösung dieses Problems. Finanziert wurden die Forschungen zum Teil über das mit 9 Mio. EUR unter dem Themenbereich "Biowissenschaften, Genomik und Biotechnologie im Dienste der Gesundheit" des Sechsten Rahmenprogramms (RP6) geförderte Projekt LYMPHANGIOGENOMICS (Genome-wide discovery and functional analysis of novel genes in lymphangiogenesis) . Perizyten kommt als Bindegewebszellen in Blutkapillaren eine Schlüsselfunktion bei der Regulierung der Blut-Hirn-Schranke zu, wie Forscher am Karolinska-Institut in Schweden in ihrer neuen Studie enthüllen. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass die BHS durch Perizyten reguliert wird, und dass es möglich ist, sie [die BHS] für Moleküle verschiedener Größe durchlässig zu machen, ohne grundlegende Funktionen im Gehirn zu beeinträchtigen", erklärt Professor Christer Betsholtz von der Abteilung für Medizinische Biochemie des Instituts, der die Studie koordinierte. Andere Organe im menschlichen Körper sind sehr viel durchlässiger als die BHS, sodass Substanzen aus den Kapillaren in das umliegende Gewebe transportiert werden können. An der BHS hingegen wird dieser Transport gestoppt, um toxischen Substanzen wie etwa Plasmaproteinen den Weg ins Gehirn zu versperren und Nervenschäden zu verhindern. Funktioniert die BHS nicht ordnungsgemäß, können Krankheiten entstehen. So stellten Forscher unlängst einen Zusammenhang zwischen durchlässigen Hirnkapillaren und Krankheiten wie Parkinson, Alzheimer und der Amyotrophischen Lateralsklerose (ALS oder auch Lou-Gehrig-Krankheit) her. "Unser Wissen über die Regulierung der BHS eröffnet theoretisch zwei Möglichkeiten", vermerkt Professor Betsholtz. "Zum einen kann das Gehirn vor den Folgen von Schlaganfällen oder Gehirnentzündungen geschützt werden, indem durch Öffnen der Barriere nervenschädigende, toxische Substanzen abtransportiert werden. Eine temporäre Öffnung der BHS ermöglicht aber auch die Medikamentenzufuhr gegen neurodegenerative und andere Gehirnerkrankungen." Perizyten gewährleisten also das reibungslose Funktionieren der BHS, obwohl der zuständige molekulare Mechanismus noch nicht geklärt ist. Fehlen Perizyten, setzt ein als Transzytose bezeichneter Transportprozess ein, bei dem die Kapillarwände durchlässig werden und verschieden große Moleküle, aber auch toxische Plasmaproteine aus dem Blut in das Gehirn vorlassen. Den Forschern zufolge regulieren die Perizyten auch spezifische Fortsätze, sogenannte Endfüße, von Astrozyten, die auf der Außenwand der Kapillaren anliegen, den Wasser- und Ionenaustausch regulieren und somit ebenfalls die BHS unterstützen. "Eine weitere interessante Entdeckung ist, dass das Krebsmedikament Imatinib, das Signalproteine für das Zellwachstum hemmt, in Anwesenheit von Perizyten ähnlich fungiert, da auch hier der Transportweg durch die Kapillarwände behindert wird", so Professor Betsholtz. An der Studie waren außerdem Forscher der schwedischen Sahlgrenska-Akademie beteiligt.
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