Neues EU-Projekt zur Untersuchung der Evolution der Artenvielfalt
Wie entwickeln sich Organismen und wie passen sie sich an neue Umgebungen an? Das ist die Frage, die Dr. Henrique Teotónio vom Instituto Gulbenkian de Ciência (IGC), Portugal, mittels einer Finanzhilfe des Europäischen Forschungsrats (European Research Council, ERC) in Höhe von 1,8 Mio. EUR beantworten will. Wissenschaftler haben offiziell bereits ungefähr zwei Millionen Arten weltweit klassifiziert und weitere Millionen harren noch ihrer Entdeckung. Ein großer Teil dieser erstaunlichen Vielfalt entsteht dann, wenn Arten sich in verschiedene Richtungen entwickeln und an neue Umgebungsbedingungen anpassen. Die ERC-Fördermittel werden es Dr. Teotónio und seinem Team ermöglichen, für fünf Jahre in die genetischen Grundlagen der Evolution einzutauchen. Dr. Teotónios Labor in Lissabon beherbergt zahlreiche Versuchspopulationen eines winzigen Wurms mit dem Namen Caenorhabditis elegans. "Wir werden mit rund 90 verschiedenen Würmerpopulationen arbeiten, sie in verschiedenen Umgebungen und unter verschiedenen sexuellen Systemen züchten, einen Blick auf ihre Phänotypen (z. B. die männliche Fertilität, Körpergröße, Lernfähigkeit, Robustheit gegenüber Veränderungen) werfen und dann die Phänotypen mit den zugrunde liegenden genetischen Strukturen und den die Anpassung begleitenden Veränderungen in Zusammenhang bringen", erklärt Dr. Teotónio. "Insgesamt erwarten wir, über 10.000 Phänotypen messen und rund eine Million Genotypen (genetische Konstitution einer Zelle) analysieren zu können." Dr. Teotónio zufolge ist das System einzigartig, das er und sein Team am IGC eingerichtet haben. Kein anderes Labor führt Evolutionsexperimente mit der gleichen Qualität der Ausgangsmaterialien (d. h. der C. elegans-Populationen) oder integrierenden Ansätzen gleichen Umfangs durch. "Wir erwarten daher einen Erkenntniszuwachs, der einen starken Einfluss auf das Gebiet der Evolutionsbiologie und auf das Verständnis der Biodiversität haben wird", kommentiert Dr. Teotónio. Dr. Teotónio, 37, studierte Biologie an der Universität Lissabon, bevor er an die University of California in den USA ging, um seine Doktorarbeit anzugehen. Nach Vollendung seiner Doktorarbeit forschte er an der Cambridge University (Vereinigtes Königreich), der Princeton University (USA) und der University of Oregon (USA), bevor er 2003 in seine Heimat Portugal in das Amt als Projektleiter am IGC zurückkehrte. Er ist nicht der einzige ERC-Finanzhilfeempfänger am IGC; im August erhielt sein Kollege Dr. Rui Costa Finanzmittel in Höhe von 1,6 Mio. EUR, um neurologische Mechanismen zu untersuchen, die das Entscheidungsverhalten steuern. "Es gibt immer mehr Anzeichen dafür, dass die neuronalen Schaltungen, die zielgerichteten und auf Gewohnheiten basierenden Entscheidungen zugrunde liegen, verschieden sind", berichtet Dr. Costa. "Unser Ziel ist es, die Unterschiede zwischen diesen neuronalen Prozessen sowohl auf zellulärer als auch auf molekularer Ebene zu begründen. Wenn wir die Prozesse enträtseln könnten, durch die zielgerichtetes und gewohnheitsbestimmtes Verhalten festgelegt werden, kämen wir nicht nur dem Verständnis von Entscheidungsprozessen sondern auch von zwanghaften Verhaltensstörungen näher." IGC-Direktor António Coutinho sagt: "Unter den verschiedenen europäischen Programmen für Wissenschaft und Technologie sind die ERC-Stipendien erstmals Mittel, um einzelne Forscher hervorzuheben, die in erster Linie auf der Basis wissenschaftlicher Exzellenz aus allen Forschungsbereichen ausgewählt werden. Diese beiden renommierten Stipendien bestätigen, dass das IGC sowohl innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft als auch bei internationalen Finanzierungsgremien eine weltweit führende Position einnimmt." Die ERC-Finanzhilfe für Nachwuchsforscher (Starting Grant), die sich an vielversprechende Forscher in frühen Stadien ihrer Laufbahn richtet, hat sich als äußerst populär erwiesen. In der ersten Runde der Finanzhilfe gab es über 9.000 Bewerbungsanträge. In der gegenwärtigen zweiten Runde, die über einen Gesamtetat von 325 Mio. EUR verfügt, gingen mehr als 2.500 Bewerbungen ein. Dr. Teotónios und Dr. Costas Vorschläge waren unter den 240 für eine Finanzierung ausgewählten Anträgen. Der ERC plant die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel für die Finanzhilfen zu erhöhen, und hat in dem Programm ein neues Element eingeführt, um Forscher zu gewinnen, die sich noch in den Anfängen ihrer wissenschaftlichen Laufbahn befinden. "Beim nächsten Aufruf (mit Fristen im Herbst dieses Jahres) wird das Starting Grant-Finanzhilfebudget in zwei Teile gegliedert sein - einer ist für Forscher mit zwei bis sechs Jahren Erfahrung nach Erlangung des Doktorgrads und der andere ist für diejenigen bestimmt, die 6 bis 10 Jahre Erfahrung haben", erklärt Professor Fotis Kafatos, Präsident des ERC-Wissenschaftsrats. "Unsere Hoffnung besteht darin, dass so mehr Kandidaten angezogen werden, die sich in sehr frühen Stadien ihrer Forscherkarrieren befinden."
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