EU-AIMS: Auf dem Weg zu einem personalisierten Ansatz für Menschen mit Autismus
Menschen mit Autismus sagen, dass es für ihre Behandlung keinen einheitlichen Ansatz gibt. Einige sind der Meinung, dass ihr Autismus keiner Behandlung bedarf, da er Teil ihrer Identität ist. Andere möchten hinsichtlich bestimmter Aspekte wie eingeschränkten sensorischern Fähigkeiten oder sozialen Interaktionen behandelt werden, jedoch nicht auf Kosten der positiven Aspekte des Autismus. Andere ersuchen vor allem Hilfe in Bezug auf Erkrankungen wie Epilepsie, von denen sie zusätzlich betroffen sind. EU-AIMS leitet Veränderungen ein Das EU-AIMS-Team hat nun die Voraussetzungen geändert. Die Teammitglieder zeigten nämlich, dass es nicht eine einzige Eigenschaft gibt, die alle Menschen mit Autismus gemeinsam haben, sei es auf Verhaltens-, kognitiver, neurobiologischer oder genetischer Ebene. Stattdessen begann die Forschungsgruppe mit der Erstellung von neurokognitiven Profilen, die sie dann mit Mustern des Fortschreitens der Erkrankung verknüpfte. EU-AIMS konzentrierte sich auf die Entwicklung von wirksamen Behandlungen, die auf die individuellen Bedürfnisse und biologischen Profile abgestimmt sind, und das Überwinden zahlreicher Forschungshindernisse, wie: Traditionelle Ansätze zur Behandlung von Symptomen, ohne dass die zugrundeliegenden Ursachen oder Mechanismen verstanden werden; die meisten früheren Studien beschränkten sich auf 15 bis 30 Menschen mit Autismus, was zur Bestimmung von „Untergruppen“ nicht ausreicht; Forschungen zur Biologie des Autismus fehlte es an zuverlässigen Methoden; an klinischen Studien nahmen außerdem in der Regel nur wenige Betroffene mit einem vielfältigen Krankheitsbild teil, was die Erfolgsaussichten schmälerte, da Behandlungen unter Umständen nur bei einigen Untergruppen anschlagen. Das EU-AIMS-Projekt wählte eine beispiellose, vielfältige Vorgehensweise. Declan Murphy, Projektleiter und Professor am King’s College London (KCL), sagt: „Wir erweiterten zuerst unser Wissen über die biologische Vielfalt des Autismus; überführten Ergebnisse aus Nagetier-Studien, damit sie für Menschen relevanter werden; demonstrierten, dass bestimmte Wirkstoffe die biologischen Unterschiede in Bezug auf den Autismus, die wir selbst bei Erwachsenen mit Autismus beobachtet haben, beeinflussen können; und suchten nach Biomarkern, die klinische Studien verbessern können.“ Neue Behandlungsziele mittels Genen und Biomarkern Um neue Behandlungsziele zu bestimmen, könnte man sich zuerst den Genen widmen, die mit einigen Formen des Autismus in Verbindung stehen, und die Auswirkungen untersuchen, die sie auf die Entwicklung der Nervenzellen und die Kommunikation untereinander haben. Das wirkt sich auf die Entwicklung des kindlichen Gehirns und damit auf die soziale, kognitive und emotionale Entwicklung aus. Bei EU-AIMS kamen Tiermodelle und neue nicht-invasive Techniken wie induzierte pluripotente Stammzellen zum Einsatz, um kausale Verbindungen von Genen und Umweltfaktoren bis hin zu molekularen Veränderungen und biologischen Signalwegen zu verfolgen. Die Forscherinnen und Forscher prüften außerdem, ob bestimmte Wirkstoffe bei Nagetier- und Zellmodellen effektiv sind und fanden somit potenzielle neue Behandlungsmöglichkeiten, die auf einem besseren Verständnis der zugrundeliegenden biologischen Mechanismen basieren. Eine der anschließenden Hauptaufgaben war die Übertragung der Erkenntnisse aus Tiermodellen auf den Menschen. Dazu wurden Maßnahmen ermittelt, die gefahrlos bei Menschen, und sogar bei Babys, angewendet werden können, wie die Magnetresonanzspektroskopie, das Elektroenzephalogramm (EEG) bzw. das strukturelle und funktionelle MRT (sMRT/fMRT). Ein weiterer Schwerpunkt von EU-AIMS lag in der Bestimmung von Biomarkern. Dabei handelt es sich um ein objektives Maß, wie Gene, Gehirnaktivitätsmuster oder Testergebnisse, das vorhersagt, inwiefern sich eine Person entwickelt oder auf Eingriffe reagiert. In der Autismusdiagnostik könnte mithilfe von Biomarkern vorausgesagt werden, ob sich Symptome während der Entwicklung ändern. Außerdem könnten sie genutzt werden, um die bestmöglichen Maßnahmen sowie die beste Unterstützung oder Behandlung für eine bestimmte Person zu finden. Es wurden drei Studien mit insgesamt mehr als 1 200 Teilnehmenden durchgeführt. Die Auswertung erfolgte in einem in Europa noch nie dagewesenen Umfang und mit einer beispiellosen Gründlichkeit. Das EU-AIMS-Projektteam war außerdem die erste wissenschaftliche/industrielle Gruppe, die von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) eine „Qualifizierungsberatung“ erhalten hat. Dieser wichtige Schritt verbesserte die Verständigung zwischen Aufsichtsbehörden, Wissenschaft und Industrie und trug entscheidend zur Entwicklung neuer EMA-Richtlinien für Arzneimitteltests bei. Anschließend konnte das Konsortium erfolgreich das Forschungsprogramm AIMS-2-TRIALS ins Leben rufen, um seine Arbeit fortzuführen. Dieses wurde um ein Schulungs- und Teilnahmeprogramm, das sich besonders an Forscherinnen und Forscher richtet, die am Anfang ihrer Karriere stehen, und eine Gruppe aus Autismusvertretern ergänzt, damit sich Menschen mit Autismus an der Forschung beteiligen können.
Schlüsselbegriffe
EU-AIMS, Autismus, ASS, Behandlung, Nagetiere, klinische Studie