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Can Direct Democracy Be Scaled? The Promise of Networked Democracy and the Affordances of Decision-Making Software

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Das (nicht gehaltene?) Versprechen von digitaler Demokratie

Innerhalb politischer Parteien werden immer mehr Plattformen zur politischen Beteiligung eingesetzt. Aber das Ziel einer skalierbaren direkten Demokratie ist noch nicht erreicht. Oder waren die Würfel von Anfang an gezinkt?

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Gemeinsame Positionen waren schon immer der Klebstoff, der politische Parteien zusammenhält. Aber wo Sitzungen und Zusammenkünfte einst unerlässlich waren, bringt das digitale Zeitalter drastische Änderungen mit sich: eine wachsende Anzahl politischer Parteien in ganz Europa, darunter Podemos in Spanien, die Fünf-Sterne-Bewegung in Italien und die Piratenpartei in Deutschland, statten ihre Mitglieder wie nie zuvor mit Online-Plattformen für die direkte Demokratie aus. Auf den ersten Blick stellen diese Plattformen im Wesentlichen Werkzeuge dar, die dazu beitragen können, die Demokratie innerhalb der Partei zu verbessern und gleichzeitig eine Definition eindeutiger Visionen und Ziele zu ermöglichen. Aber ist es wirklich so einfach? „Software wird zu oft als ein wertneutrales und transparentes Mittel angesehen, das einfach darauf wartet, benutzt zu werden. Ziel von SCALABLE DEMOCRACY (Can Direct Democracy Be Scaled? The Promise of Networked Democracy and the Affordances of Decision-Making Software) war es, zu zeigen, dass in jedem und jeder dieser Computerprogramme oder Beteiligungsplattformen eine Reihe an politischen Werten und Anschauungen bezüglich Demokratie verankert ist, was zwangsläufig die Art der Entscheidungsprozesse formt“, erklärt Projektkoordinator Dr. Marco Deseriis. Software für Parteien im Vergleich SCALABLE DEMOCRACY hat sich zur Aufgabe gemacht, diese Tendenzen offenzulegen. Dazu wurde verglichen, welche Auffassung von parteiinterner Demokratie in den unterschiedlichen Computerprogrammen für die Entscheidungsfindung herrscht, die von Podemos, der Fünf-Sterne-Bewegung und der Piratenpartei benutzt werden, und insbesondere in welcher Beziehung das „normale Mitglied“ mit den Parteieliten steht. In der Tat erlauben einige Programme eher einen Diskurs, während bei anderen der Schwerpunkt auf Abstimmungen liegt. Keiner dieser Ansätze ist ideal: Erstere stellen eine Gefahr für die Einheit der Partei dar, indem sie Mitgliedern ein gewichtiges Machtinstrument in die Hand geben, letztere können zur Stärkung der Parteispitze und Festigung der Einheit innerhalb der Partei eingesetzt werden, aber nur zu Lasten der internen Demokratie. Die Plattformen Participa (Podemos) und Rousseau (Fünf-Sterne-Bewegung) lassen am wenigsten Diskurs zu. Während bei der erstgenannten die Foren derart eingerichtet sind, dass mit ihnen keine große Wirkung erzielt werden kann, da es Mitgliedern unmöglich ist, Vorschläge für Initiativen vorzubringen, aus denen dann tatsächlich Initiativen der Partei entstehen können, bietet letztgenannte keinerlei Funktionen, die Raum für Diskurs geben, wie etwa Foren und Wikis. „Diese beiden Plattformen trennen in wirksamer Weise den Diskurs von der Entscheidungsfindung und überlassen ersteren beinahe ausschließlich der Parteiführung“, merkt Dr. Deseriis an. LiquidFeedback, die Beteiligungsplattform der Piratenpartei, ist die Software, die am komplexesten gestaltet ist. Im Gegensatz zu ihren Gegenstücken liegt ihr eine deliberative Auffassung von Demokratie zugrunde. Weil die Software allerdings nicht in der gesamten Partei einheitlich eingesetzt wurde, war es schließlich nicht möglich, durch sie auf nationaler Ebene einen Diskurs wie auf lokaler Ebene zu führen. Stattdessen entzündete sich an ihr ein Konflikt zwischen den Nutzern der Plattformen und denjenigen, die sie nicht verwenden wollten. Die Software täuscht Das führt zu einer größtenteils negativen Antwort auf die Kernfrage von SCALABLE DEMOCRACY: Ist Demokratie skalierbar? „Sofern wir uns nicht auf eine liberale oder minimalistische Auffassung von demokratischer Beteiligung beschränken, wie etwa das Wählen, scheinen die Einflussmöglichkeiten dieser Plattformen auf die Institutionen der repräsentativen Demokratie recht gering zu sein. Diese Beschränkungen sind vor allem von politischer Natur und nur in zweiter Linie technisch bedingt“, erklärt Dr. Deseriis. „In allen Fällen halten die Vertreter in den Parteizentralen sowie den lokalen Geschäftsstellen sämtliche Fäden zur strategischen Lenkung der Partien straff in der Hand und holen nur bei Bedarf und unter bestimmten Einschränkungen direkt die Meinung der übrigen Mitglieder ein.“ So gesehen ist die wichtigste Erkenntnis von SCALABLE DEMOCRACY, dass diese Plattformen nur bei Anwendung einer eingeschränkten Definition von direkter Demokratie, nämlich als Bildung von Gruppen mit der gleichen Präferenz (Modell des Referendums), in der Lage sind, direkte Demokratie zu skalieren. „Wenn auch die anspruchsvollere Aufgabe, eine neue Vorstellung von direkter Demokratie als einen auf vielen Schultern ruhenden deliberativen Prozess zu realisieren, technisch möglich ist, sind bei solchen Bestrebungen doch ein Maß an gegenseitigem Vertrauen und eine weithin geteilte politische Vision erforderlich, was nicht durch den Einsatz digitaler Technologien alleine erreicht werden kann, besonders innerhalb politischer Parteien“, schließt Dr. Deseriis. SCALABLE DEMOCRACY wurde im Rahmen der Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen gefördert.

Schlüsselbegriffe

SCALABLE DEMOCRACY, digitale Demokratie, Software für die Entscheidungsfindung, LiquidFeedback, Piratenpartei, Fünf-Sterne-Bewegung, Podemos, Participa, Rousseau, Diskurs, Abstimmung, politische Partei

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