Berücksichtigung kultureller Unterschiede – mehr Sicherheit an Verkehrsknotenpunkten
Mit einem multikulturellen Ansatz im Management von Verkehrsknoten wird versucht, die physische Umgebung anzupassen und gleichzeitig angemessene kommunikative Mittel (wie Schilder oder Zeichen) zu nutzen, die verschiedenen kulturellen Bedürfnissen und Erwartungen entgegenkommen. Es gibt allerdings weiterhin kaum standardisierte und kulturspezifische Risikobewertungen, interkulturell kompetente Mitarbeiter, Kommunikationsstrategien oder passende Schulungen, mit entsprechenden Folgen für die Katastrophenbereitschaft und Notfallmaßnahmen. Das EU-finanzierte Projekt IMPACT wurde ins Leben gerufen, um Methoden und Lösungen für Notfallprävention und Katastrophenmanagement zu entwickeln, die kulturübergreifend funktionieren. Zunächst analysierte das Team den Einfluss soziokultureller Faktoren auf das Sicherheitsmanagement öffentlicher Verkehrsmittel und konnte dann auf dieser Basis das theoretische Gerüst von IMPACT aufbauen. Dieses diente wiederum als Grundlage für die begleitenden Maßnahmen von IMPACT. Dazu gehören der Einsatz agentenbasierter Modelle für die Entwicklung kultureller Risikobewertungen, kulturbasierte Kommunikationsrichtlinien für Notfälle, kulturspezifische Schulungen mit bewährten Praktiken und Maßnahmenempfehlungen für die Politik. Integrierte kulturspezifische Sicherheitsvorkehrungen Täglich verkehren tausende Passagiere aus der ganzen Welt an Knotenpunkten wie Flughäfen, Bahnhöfen oder Häfen. Verkehrsunternehmen müssen also im Umgang mit Passagieren und Kollegen mehr multikulturelle Kompetenz zeigen als jemals zuvor. Die Projektkoordinatorin von IMPACT, Dr. Alessandra Tedeschi, meint: „Ich habe selbst erlebt, dass öffentliche Verkehrsknotenpunkte immer mehr zu multikulturellen Räumen werden, in denen sich viele Menschen drängen. In so einer Umgebung kann es wegen kultureller Unterschiede zu Fehlkommunikation, Missverständnissen oder gefährlichem Verhalten kommen.“ Das IMPACT-Team entwickelte zunächst eine kulturelle Risikobewertung, die internationale Normen (wie die ISO 31000) berücksichtigt und die so modifiziert werden kann, dass sie auf potenziell gefährliches kulturell geprägtes Verhalten anwendbar ist. Die Methodik verfolgte die Eskalation von spezifischen kulturellen Eigenschaften bis hin zu den Konsequenzen und umfasste auch mögliche Minderungsmaßnahmen. Danach folgte im Projekt eine Analyse der Verkehrsknoten. Dazu wurden ihre Eigenschaften aus psychosozialer Perspektive abgebildet und anschließend wurde dokumentiert, wie sie sich auf Verhaltensweisen auswirken könnten. Der nächste Schritt war eine Analyse kulturspezifischer gefährlicher Verhaltensweisen anhand früherer Ereignisse, wobei die wichtigsten Verhaltensweisen identifiziert wurden, die Gefahrenquellen oder Sicherheitsrisiken verstärken oder verkleinern oder sogar neue Gefahren hervorrufen können. Abschließend wurden bestehende Normen und bewährte Praktiken für das Katastrophenmanagement identifiziert und evaluiert. Dazu gehörten Minderungsmaßnahmen wie Erste Hilfe, langfristige Gesundheitsversorgung, Kommunikation, Schulungen oder Ausschilderungen, die für bestimmte kulturelle Gruppen oder ethnische Minderheiten von Bedeutung sind. Auf Grundlage dieser Arbeiten wurden mit Hilfe agentenbasierter rechnergestützter Modellierung vier interaktive computerbasierte Schulungseinheiten zum Thema Risikobewertung kulturell geprägten Verhaltens entwickelt. Bei der Modellierung und Simulation von kulturübergreifendem Gruppenverhalten in Verkehrsknotenpunkten wurden zwei Szenarien erstellt: einerseits die Evakuierung von Passagieren mit besonderer Berücksichtigung von Eigenschaften, die den Prozess verlangsamen könnten, und andererseits gestrandete Passagiere, bei denen Gruppenfrustration in Form von Streit um Ressourcen oder Prioritäten in einer Warteschlange betrachtet wurden. Dr. Tedeschi erklärt die Wirkung soziokultureller Faktoren in diesen Szenarien so: „Kulturelle Aspekte wie Sprache, Zeichenverständnis oder traditionelle Kleidung beeinflussen die Dynamik. Kulturgruppen mit traditionellen langen Gewändern könnten dadurch bei einer Evakuierung behindert werden, was ihr Verletzungsrisiko erhöht. Wenn andererseits eine multikulturelle Gruppe die Ansagen nicht sofort versteht, kann sich eine phasenweise Evakuierung ergeben, sodass die Notausgänge nicht durch zu viel Andrang blockiert werden. Unsere Ergebnisse haben gezeigt, dass die Evakuierungszeit aufgrund soziokultureller Faktoren um bis zu 30 % schwankt.“ Im Projekt wurden erfolgreich Mitteilungen entwickelt, die im Notfall an bestimmte Gruppen gerichtet werden können. Dabei kamen Techniken zum Einsatz wie inklusive Sprache, aber auch Sensibilität für unterschiedliche kulturelle Interpretationen von nonverbaler Kommunikation wie Blickkontakt, Gesten, Gesichtsausdrücke oder Intimsphäre. Ausweitung und Individualisierung der Ergebnisse aus IMPACT In Luftfahrt, Zugverkehr und Schiffahrt gibt es aufgrund vielfältiger Normen und Richtlinien einen klaren Bedarf für die Risikobewertung und das Gefahrenmanagement sowie die Notfallkommunikation und Schulungsmethode wie sie in IMPACT entwickelt wurden. Die Instrumente sind aber auch in anderen Szenarien mit multikulturellen Gruppen anwendbar, wie zum Beispiel auf Musikfestivals, in Einkaufszentren oder sogar in Flüchtlingslagern. Aktuell arbeitet das Team an der maximalen Ausschöpfung der Projektergebnisse. Dafür werden multikulturelle Richtlinien für den internationalen Eisenbahnverband (UIC) angepasst, ein individuelles Schulungspaket für den Internationalen Luftverkehrsverband (IATA) entwickelt und mit zwei IMPACT-Partnern ein neues Projekt gestartet, in dem das Evakuierungsmodell und das Notfallkommunikationspaket erweitert werden sollen. Außerdem könnte das EU-finanzierte Projekt LETS-CROWD die Modelle aus IMPACT anwenden und auch LEGION hat Interesse an den IMPACT-Modellen bekundet.
Schlüsselbegriffe
IMPACT, Verkehrsknotenpunkt, Sicherheit, Katastrophenbereitschaft, Notfallmaßnahmen, Risikobewertung, Kultur, interkulturell, kulturübergreifend, Gruppen, gefährliches Verhalten, Minderung