Traditionelle Tomaten für zufriedenere Verbraucher
Wenn wir in unserem Supermarkt der Wahl Tomaten sehen, vergessen wir schnell, dass es sich hierbei um ein Saisonprodukt handelt: Unabhängig von der Jahreszeit mangelt es dem Markt nicht an unzähligen gut aussehenden und kostengünstigen Tomaten mit langer Haltbarkeit. Aber was haben unsere Großeltern immer gesagt? Es spielt keine Rolle, wie gut sie aussehen, denn der Geschmack dieser Hybrid-Tomaten kommt nirgends auf der Welt gegen den ihrer Vorfahren an. Es handelt sich hierbei jedoch nicht um falsche Nostalgie. Im Wettstreit um eine immer höhere Produktivität scheinen die Erzeuger den Geschmack tatsächlich vergessen zu haben. Wussten Sie zum Beispiel, dass bei Tomaten Krankheitsresistenz durch die Kreuzung mit ihren kaum essbaren, wilden Gegenstücken erreicht wird, die wiederum den Geschmack negativ beeinflussen? Die daraus resultierende Produktionssteigerung hat die Auswahl für den Verbraucher reduziert. Was die Sache jedoch noch schlimmer macht: Die Globalisierung trägt dazu bei, dass diese Tomaten noch grün geerntet und bei niedrigen Temperaturen gelagert werden, was ebenfalls zu Einbußen im Geschmack führt. Währenddessen sind lokale Landwirte, die für eine große Auswahl an traditionellen Sorten und Anbaumethoden einstehen und aromatische Tomaten liefern, gefährdet. Da sich Qualität nicht auszahlt und keine wissenschaftlichen Ansätze zur Erfassung und Beschreibung des Wertes traditioneller Sorten und Methoden existieren, gibt es einfach nicht genug Anreize, um an den alten Verfahren festzuhalten. Das Gemeinschaftsunternehmen TRADITOM (Traditional tomato varieties and cultural practices: a case for agricultural diversification with impact on food security and health of European population) erforschte den traditionellen europäischen Tomatenmarkt mit dem Ziel, eine wissenschaftliche Grundlage für das bisherige Überleben dieser Sorten zu schaffen, um sie wettbewerbsfähiger zu machen, und nach Aussage des Projektkoordinators Prof. Antonio Granell, „mit den alten Mythen aufzuräumen“. „Durch die Analyse der großen phänotypischen Vielfalt traditioneller Sorten haben wir zum Beispiel festgestellt, dass einige von ihnen vergleichbare Erträge wie moderne Hybride erzielen, während andere groß und aromatisch sind, eine längere Haltbarkeit haben, eine hohe Anzahl gesunder Metaboliten enthalten oder eine unterschiedliche Zusammensetzung von Aromastoffen aufweisen“, erklärt er. „Unsere Forschungsergebnisse können genutzt werden, um diese Sorten aufzuwerten und die Widerstandsfähigkeit zu erhöhen, ohne dabei ihre Eigenschaften zu beeinträchtigen.“ Das Projektteam zeigte, dass es beim Geschmack im Wesentlichen auf drei Zuckerarten, drei Säuren und fast 30 flüchtige Verbindungen ankommt. Sie fanden sogar heraus, welche Gene und welche Versionen dieser Gene (Allele) die Frucht am besten dabei unterstützen, optimale Mengen dieser Verbindungen anzureichern – für Tomaten mit einem unverwechselbaren Geschmack. „Wir könnten die überlegenen Allele der Gene wieder in diese modernen Sorten ‚einführen‘ oder unser Wissen dazu nutzen, Ertrags-, Haltbarkeits- und Krankheitsresistenzgene vor dem Hintergrund ausgewählter traditioneller Sorten zu entwickeln“, erläutert Prof. Granell. „Obwohl der erste Ansatz komplizierter erscheinen mag, so können doch mehrere Aromastoffe gleichzeitig beeinflusst werden, indem gute Allele wieder in eine kleine Anzahl von Genen eingeführt werden, die in traditionellen Sorten vorkommen. Wir haben auch bewiesen, dass der zweite Ansatz durch die Herstellung von F1-Hybriden, die zwischen den elitären Tomatenlinien von Unternehmen und traditionellen Sorten einzuordnen sind, funktionieren könnte. Dieser Ansatz kann auf eine größere Anzahl von TRADITOM-Sorten ausgeweitet werden, die jeweils unterschiedliche Bedürfnisse der Verbraucher befriedigen.“ Weitere wichtige Projektergebnisse beziehen sich auf die Vorlieben der Verbraucher und darauf, wie ihre Anforderungen am besten erfüllt werden können. Verbraucher bevorzugen beispielsweise Tomaten mit hohem Zuckergehalt. Ein höherer Zuckeranteil in den Früchten wirkt sich allerdings oft negativ auf den Ertrag aus. Dank TRADITOM kann die Süße nun jedoch gesteigert werden, ohne dass dabei mehr Zucker benötigt wird, da auf der pikomolaren Ebene einiger flüchtiger Stoffe agiert wird. Dadurch wollen uns unsere Sinne Glauben machen, dass die Frucht süßer schmeckt als sie in Wirklichkeit ist. Nach Angaben von Prof. Granell sollte der Markt darüber nachdenken, was die Verbraucher wollen, und nicht, was am angenehmsten für die Hersteller und den Rest der Wertschöpfungskette ist, die am meisten davon profitieren. Um dieses Ziel zu verwirklichen, beabsichtigen er und der Rest des Gemeinschaftsunternehmens, die Arbeit in verschiedenen Projekten fortzusetzen.
Schlüsselbegriffe
TRADITOM, Tomaten, traditionelle Sorten, Geschmack, Allele