Übergang von der psychischen Gesundheitsfürsorge für Kinder zur Betreuung von Erwachsenen verbessern
Die meisten geistigen Beeinträchtigungen treten zwischen dem Kindes- und Erwachsenenalter auf. Die Stärkung von Gesundheitsdienstleistungen im Bereich der psychischen Gesundheit während dieser empfindlichen Übergangsphase wäre daher nur logisch. Aber die Realität sieht ganz anders aus: Diese Phase gilt derzeit aufgrund verschiedener Diskontinuitäten als das schwächste Glied auf dem Behandlungsweg. Neue Therapeuten oder Dienste, Umzüge, eine Sichtweise auf Patienten als Erwachsene anstatt als Kind oder das Eingehen von Partnerschaft und Elternschaft zählen zu den vielen Brüchen, die junge Menschen erleben können. Das Projekt MILESTONE (Managing the Link and Strengthening Transition from Child to Adult Mental Health Care) ist insbesondere auf die Diskontinuität im Bereich der Fürsorge ausgerichtet, die stattfindet, wenn Teenager die „Leistungsobergrenze“ ihrer Kinder- und Jugenddienste im Bereich psychischer Gesundheit (Child and Adolescent Mental Health Service, CAMHS) erreicht haben. Wird Patienten, die Spezialdienstleistungen für Erwachsene oder Universal- bzw. gezielte Dienstleistungen benötigen, tatsächlich diese Hilfe gewährt? Können wir Kliniker dabei unterstützen, die Hindernisse für einen nahtlosen Dienstleistungsübergang zu überwinden? Was sind die ethischen Sachverhalte in Verbindung mit der Übergangsversorgung? Wird der Übergang europaweit in der Ausbildung von Fachkräften im Bereich der psychischen Gesundheitsfürsorge berücksichtigt? Dies sind manche der Fragen, die das Projekt beantworten möchte. „Junge Menschen, die CAMHS-Spezialdienstleistungen in Anspruch nehmen, erfüllen womöglich nicht die Voraussetzung für medizinische Spezialdienstleistungen im Bereich der psychischen Gesundheit für Erwachsene, und fallen daher automatisch durch das Spezialdienstleistungsraster, wohingegen andere aus verschiedenen Gründen womöglich medizinische Spezialdienstleistungen im Bereich der geistigen Gesundheit verweigern. Diskontinuitäten im Bereich der Versorgung treten somit dann auf, wenn junge Menschen mit geistigen Gesundheitsproblemen diese am dringendsten benötigen, und dies trifft auf einen von drei Patienten im Vereinigten Königreich zu“, sagt Swaran Singh, Professor für Sozial- und Gemeindepsychiatrie an der Warwick Medical School. Die Aussichten für Patienten, die den Übergang nicht schaffen, sind derzeit nicht bekannt. Um diese Lücke zu schließen, führt das MILESTONE-Team eine Kohortenstudie durch, die Längsschnittinformationen (über 24 Monate) zu jungen Menschen aus acht europäischen Ländern sammelt, welche die jeweilige CAMHS-Altersobergrenze erreicht haben. Auch wenn die Ergebnisse nicht vor Frühling 2019 verfügbar sein werden, hat das Projekt bereits signifikante Ergebnisse erzielt. „Unsere EU-weite Kartierungserhebung bestätigt, dass in Europa Lücken in der Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der psychischen Gesundheit bestehen, vor allem aufgrund des Mangels an auf junge Menschen zugeschnittenen Behandlungswegen und der mangelhaften Vernetzung zwischen den beiden Dienstleistungen. In den meisten Bereichen gibt es keine gemeinsamen Initiativen oder gemeinsame Aktivitäten zwischen diesen Dienstleistungen“, bemerkt Dr. Helena Tuomainen, wissenschaftliche Forschungsleiterin von MILESTONE. Die Erhebung im Rahmen des Projekts beleuchtet zudem wichtige Bereiche in Verbindung mit EU-weiten CAMHS-Dienstleistungen: schlechte Dienstleistungsplanung; Defizite in der standardisierten Ergebnisbewertung in Bezug auf die Dienstleistungserbringung oder Ausführung; geringe oder unterschiedliche Miteinbeziehung von Personen, die Dienstleistungen in Anspruch nehmen oder deren Familien; oder der Mangel an interdisziplinären CAMHS-Dienstleistungen und psychischen Gesundheitsdienstleistungen für Erwachsene. Laut Professor Singh sind klarere nationale Richtlinien zur Gestaltung der Dienstleistungserbringung und Struktur erforderlich und sollten standardisierte nationale Datenerhebungssysteme mit standardisierten Tools entwickelt werden, um die Leistungserbringung, Aufnahme und Wirksamkeit der Behandlung ordnungsgemäß bewerten zu können. Eine weitere wichtige Erkenntnis des Projekts ist, dass die Mehrzahl der EU-Länder über keine spezialisierte Übergangsplanung verfügt und dass nur zwei Länder – Dänemark und das Vereinigte Königreich – nationale oder regionale Richtlinien oder Leitlinien für die Handhabung des Übergangs individueller Dienstleistungsbezieher umgesetzt haben. Abgesehen davon, gibt es lediglich in drei Ländern eine standardisierte, regelmäßig durchgeführte Bewertung der Bedürfnisse junger Menschen, welche sich der Übergangsschwelle annähern. Das Projektteam entwickelte überdies ein Übergangsmodell, das auf einer rechtzeitigen, standardisierten Bewertung von Patienten basiert, welche CAMHS-Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Das Modell und das damit verbundene Tool zur Messung der Bereitschaft und Angemessenheit des Übergangs (Transition Readiness and Appropriateness Measure, TRAM) berücksichtigen rechtzeitig, bevor die Dienstleistungsschwelle erreicht wurde, alle relevanten und wichtigen Faktoren, die mit dem Übergang verbunden sind, damit Klinikern ausreichend Zeit zur Implementierung eines Übergangsplans bleibt. Nach der Fertigstellung wird MILESTONE zu einer umfassenden, aber dennoch differenzierten EU-weiten Beschreibung der Organisation, Politik und Praxis im Bereich der Behandlung von jungen Menschen mit psychischen Gesundheitsproblemen an der CAMHS-AMHS-Schwelle führen, und eine rechtzeitige Analyse der jeweiligen Ergebnisse und Erfahrungen ermöglichen. Professor Singh ist zuversichtlich, dass Patienten hierdurch einfacher in wichtige Rollen im Erwachsenenleben hineinwachsen können. „Aufgrund der Schaffung eines Bewusstseins für dieses wichtige Thema des Übergangs gehen wir davon aus, dass durch die Erkenntnisse von MILESTONE die Hinterfragung von Dienstleistungen in ganz Europa unterstützt wird und aktuelle Schwachstellen im CAMHS-AMHS-Behandlungsweg identifiziert werden, damit die Ergebnisse für junge Menschen und deren Familien verbessert werden können, indem faktengesicherte Verfahren in die Dienstleistungserbringung integriert werden“, lautet Professor Singhs Schlussfolgerung.
Schlüsselbegriffe
MILESTONE, Übergang, psychische Gesundheitsfürsorge, CAMHS, Studien, Europa