Können blinde Menschen wirklich besser hören?
Eine große Menge der durch die Bildgebung des zentralen Nervensystems gewonnenen Beweise deutet auf das Vorkommen einer nicht-visuellen Eingangsverarbeitung bei blinden Personen hin. Um eine Plattform für weitere Untersuchungen über die Art dieser Gehirnaktivität einzurichten, wurde im Rahmen des EU-finanzierten COcOAB-Projekts die Magnetoenzephalographie (MEG) eingesetzt. Dieses Vorgehen half dabei, die nicht-visuelle Rolle in den okzipitalen Regionen (visueller Kortex) des Gehirns zu bestimmen. Darüber hinaus werden die Forscher ermitteln, ob es zu Interaktionen zwischen dieser Region und anderen funktionellen Netzwerken zur Teilnahme an nicht-visuellen Funktionen kam. Wie Projektkoordinator Dr. Olivier Collignon erklärt, „wird es darum gehen, ob der visuelle Kortex in neue funktionelle Netzwerke integriert wird, um nicht-visuelle Funktionen bei blinden Menschen zu erfüllen.“ Neuartiges Paradigma Durch MEG wurde die Gehirnwellenaktivität in den Neuronen bewertet. Die Tests wurden am Center for Mind/Brain Sciences, kurz CIMeC, der Universität Trient, Italien, durchgeführt. Zu diesem Zweck wurde ein vorheriges Protokoll verfeinert und einige Anpassungen an den ursprünglichen Testbedingungen vorgenommen, um der nun getesteten Population von 20 sehenden Personen zu entsprechen. Die MEG-Untersuchung beginnt mit der Bewertung der Hörschwelle zur Bestimmung der Amplitude, die eine Erkennungsrate verbaler Reize von ungefähr 50 % erzeugt. „Die Idee dahinter ist, dass jede Veränderung in der Wahrnehmung auf Modulationen in den Gehirnzuständen des Probanden zurückgeführt werden kann“, erklärt Dr. Valeria Occelli, Forschungsleiterin. Dabei wurden hauptsächlich die Ergebnisse von Reizen aufgezeichnet – Geräusche an der Schwelle, solche über der Schwelle und keine Geräusche. Die Teilnehmer müssen (per Tastendruck) angeben, ob sie den Ton gehört haben oder nicht. „Im Gegensatz zur ursprünglichen Studie hat unser Experiment eine Versuchsstruktur. Zudem verwendeten frühere Studien Sprachmuster anstelle von weißen Rauschimpulsen, die unserer Meinung nach ökologisch valider sind“, betont Dr. Occelli. Ergebnisplattform als solide Grundlage für weitere Untersuchungen Frühere Studien zeigten auch, dass die Alpha-Gehirnwellenaktivität vor dem Einsetzen des Reizes die Erkennung des bevorstehenden Reizes nahe der Hörschwelle beeinflusst und daher eine funktionelle Relevanz für die Leistung der Teilnehmer hat. Pilotdaten, die von den sehenden Teilnehmern gesammelt wurden, lieferten Beweise dafür, dass dies ein vielversprechendes Paradigma ist, um die Aktivität vor der Stimulation zu bewerten. Gegenwärtig wird die Datenerhebung von blinden Teilnehmern durchgeführt und die Zusammenarbeit mit der Gastuniversität, der Universität Trient, Italien, wurde um ein Jahr verlängert, um die Studie abzuschließen. „Die Entwicklung und Validierung des neuen Paradigmas waren kostenintensiver als bisher angenommen, sowohl in Bezug auf die Zeit als auch auf die Ressourcen, die benötigt wurden. Darüber hinaus hat auch das für diese Aufgabe erforderliche Programmiertraining viel Zeit in Anspruch genommen“, erklärt Dr. Occelli. Ziele für die weitere Forschungsrichtung COcOAB zielt darauf ab, die zukünftigen Daten von blinden Probanden zu verwenden, um die Ansicht zu untermauern, dass sich die Funktion des visuellen Kortex mit Einsetzen der Blindheit ändert. Außerdem kann der Effekt des Alters zu Beginn und/oder die Dauer des visuellen Entzugs bestimmt werden. Dr. Olivier Collignon fasst zusammen: „Dies wird es uns erlauben, einzigartige Informationen über die funktionelle Relevanz der nicht-visuellen Aktivität im okzipitalen Kortex von blinden Personen zu sammeln.“ Das COcOAB-Projektteam will beweisen, dass der visuelle Kortex nicht ausschließlich für die visuelle Verarbeitung verantwortlich ist und zudem für blinde und visuell eingeschränkte Personen bei der allgemeinen Wahrnehmung ihrer Umwelt eine Rolle spielt. „Die Bestätigung dieser Hypothese wäre ein eindrucksvoller Beweis dafür, dass okzipitale Regionen bei Blinden (wo die auditorischen Eingänge konvergieren) dynamisch in funktionell relevante, aufgabenspezifische Prozesse integriert sind und nicht nur zusätzlich aktiviert werden“, fügt Dr. Occelli hinzu.
Schlüsselbegriffe
COcOAB, blind, visueller Kortex, Magnetoenzephalographie (MEG), nicht-visuelle Funktionen