Eine neue Ära für das neuronale Rechnen
Rechnertechnologien haben eine beispiellose Geschwindigkeit und Rechenleistung erreicht, die es ihnen ermöglicht, Teile des Tiergehirns und Verhaltensweisen zu simulieren. Um die Tierintelligenz jedoch wirklich zu emulieren, benötigen diese Systeme eine enorme Energie, die exponentiell ansteigt. Das Gehirn enthält eine extrem hohe Anzahl von Synapsen, während Neuronen formbar und anpassungsfähig sind. Auffallend ist, dass das Gehirn als ein sich entwickelndes System aufgebaut ist, in dem Synapsen entstehen und sterben sowie sich verstärken und abschwächen. Im Wesentlichen rekonfigurieren diese die neuronale Konnektivität und ermöglichen dem neuronalen Netzwerk, Bewegung und Verhaltensreaktionen an die sich ständig verändernden Umwelteinflüsse anzupassen. Seit Jahren werden künstliche neuronale Netzwerke in Form von Software implementiert, die auf konventionellen Computern ausgeführt wird. In jüngster Zeit sind neuromorphe Rechenprogramme entstanden, die elektronische Bauelemente im Nanobereich verwenden, die in der Lage sind, neuronale und synaptische Eigenschaften zu simulieren. Ein Bio-Hybridsystem zwischen künstlichen und echten Neuronen Das EU-finanzierte RAMP-Projekt regte die Entwicklung eines Bio-Hybridsystems an, das künstliche neuronale Netze mit biologischen koppelt. „Unser Prinzip war, die intrinsischen Eigenschaften von echten Neuronen und Synapsen sowie deren Organisation in neuronalen Schaltungen zu nutzen“, erklärt Projektkoordinator Prof. Vassanelli Künstliche Neuronen wurden als Silizium-Mikrochips formuliert und physikalisch mit natürlichen Neuronen durch elektrische Wandler verbunden, wodurch ein bio-hybrider Neurochip gebildet wurde. Da Neuronen elektrisch aktive, erregbare Zellen sind, können die Wandler ihre elektrische Aktivität aufzeichnen oder ihre Stimulation ermöglichen. Zu diesem Zweck nutzten die Forscher eine der vielversprechendsten Technologien, den Memristive Integrator Sensor (MIS), der als intelligenter neuronaler Sensor durch gleichzeitiges Erfassen und Kodieren von elektrischen Signalen in einem Kommunikationsaufbau mit echten Neuronen funktionieren kann. Um das natürliche Synapsenverhalten zu emulieren, wurden MIS erzeugt, die die neuronale Spiking-Aktivität kodieren und komprimieren konnten. Signale, die von Neuronen durch konventionelle extrazelluläre Elektroden aufgenommen wurden, werden dem MIS zugeführt, der neuronale Spikes abtastet und diese als Änderungen des inneren Widerstands in ähnlicher Weise wie in echten Synapsen kodiert. „Sowohl im Falle des MIS als auch der Synapse werden solche individuellen Widerstandsänderungen über die Zeit bei der Ankunft einer Reihe von Spikes integriert“, so Prof. Vassanelli. In einer parallelen Anstrengung, bei der versucht wurde, in dem künstlichen Teil des Bio-Hybrids das Geschehen in realen Synapsen zu reproduzieren, wobei Konnektivität von neuronaler Aktivität abhängt, haben Wissenschaftler Algorithmen erzeugt, die sich an der Neurobiologie anlehnen. Im Wesentlichen war die Anzahl der Verbindungen zwischen künstlichen Neuronen eine Funktion der Aktivität, die die Gehirnplastizität nachbildete. Zukünftige Anwendungen MIS sind unschätzbare Werkzeuge für die Erforschung des neuronalen Rechnens und zum Auslesen der Gehirnaktivität. Die Überwachung der neuronalen Zellaktivität ist für die Neurowissenschaften von grundlegender Bedeutung, aber die Verarbeitung von neuronalen Daten in Echtzeit stellt restriktive Anforderungen im Hinblick auf Bandbreite, Energie und Berechnungskapazität. Die memristiven Bauelemente verbrauchen wenig Energie beim Kodierungsprozess und begegnen damit nicht nur diesem Engpass, sondern werden auch zu einem besseren Verständnis der biophysikalischen Basis der Informationsverarbeitung in echten neuronalen Schaltungen führen. Langfristig könnten diese Elemente eingesetzt werden, um innovative Neuroprothesen wie etwa in Form von Gehirnimplantaten zu schaffen, wo künstliche neuromorphe Schaltkreise native Gehirnnetze ersetzen oder unterstützen. Eine solche Prothetik könnte bei Patienten mit neurologischen Störungen zur Behandlung und Rehabilitation eingesetzt werden. Um die Entwicklung zu beschleunigen, entwickelten RAMP-Partner einen Weg, um Neuronen und MIS über das Internet kommunizieren zu lassen. Dies eröffnet eine ganz neue Möglichkeit für den Aufbau neuroelektronischer Netzwerke in ganz Europa. Insgesamt zeigt das RAMP-System erstmals auf, dass Neuronen gegenseitig mit nanoelektronischen memristiven Vorrichtungen interagieren können, die ähnlichen Speicher- und Plastizitätsregeln folgen. Die im Rahmen des Projekts entstandenen Patentanmeldungen und Start-up-Unternehmen sind ein weiterer Beleg für die RAMP-Innovation. RAMP wurde offiziell innerhalb des Programms für zukünftige und sich abzeichnende Technologien (Future and Emerging Technologies, FET) der Europäischen Kommission finanziert.
Schlüsselbegriffe
Neuronen, Gehirnplastizität, neuronale Netze, RAMP, memristiv