Leptin: eine bessere Alternative zur Insulintherapie?
Typ-1-Diabetes mellitus (T1DM) ist die Form von Diabetes, bei der es an Insulin mangelt. Dieser Mangel wird durch den Verlust von β-Zellen im Pankreas hervorgerufen. Neue Erkenntnisse stellen das Dogma in Frage, dass Insulin eine Voraussetzung für das Überleben ist, da es die normale metabolische Homöostase nicht wieder herstellt. Vielmehr verursacht es eine ektopische Lipidablagerung und erhöht das Risiko für Herzerkrankungen. Und weil es in der Lage ist, Glukose rasch aus dem Blut zu entfernen, führt seine Verabreichung oft zu Hypoglykämie. Bereits 1995 wurde nachgewiesen, dass ein weiteres Hormon, Leptin – bekannt für seine Rolle hinsichtlich des Körpergewichts und der Steuerung der Nahrungsaufnahme – zumindest bei Nagetieren antidiabetische Eigenschaften hat. Bei diesen Versuchen verbesserte die systemische Verabreichung von Leptin in niedrigen Dosen Hyperglykämie und es wurde nachgewiesen, dass Insulin für den normalen Glukose- und Lipidstoffwechsel entbehrlich war. Weitere Studien zeigten, dass Leptin die Folgen des Insulinmangels umkehrt und „eine attraktive Zusatztherapie für T1DM darstellt, weil es keine Hypoglykämien verursacht und den Lipidspiegel senkt“, wie Projektkoordinator Dr. Coppari erklärt. Der genaue Wirkmechanismus von Leptin bleibt weiterhin unbekannt. Wissenschaftler des von der EU finanzierten Projekts LEPTINT1DM (Unravelling the mechanism underlying the anti-diabetic action of leptin) untersuchten die Hypothese, dass die anti-diabetische Funktion von Leptin durch den Hypothalamus vermittelt wird. Frühere Arbeiten des Konsortiums hatten gezeigt, dass das zentrale Nervensystem an der Regulierung der Glukose-Homöostase in Reaktion auf Leptin beteiligt ist. „In der vorliegenden Studie wollten wir den Mechanismus weiter beschreiben und untersuchten die Frage, ob Neuronen des Hypothalamus die gegen T1DM eintretende Wirkung des Leptins vermittelt“, so Dr. Coppari. Leptinverabreichung in präklinischen T1DM-Modellen Um die Wirksamkeit einer Leptintherapie bei T1DM zu untersuchen, erschufen die Forscher Mäuse, denen der Leptinrezeptor fehlte oder die diesen nur in bestimmten Neuronen des Hypothalamus exprimierten. Diese Hypothalamus-Proopiomelanocortin-Neuronen (POMC) gehören zum zentralen Melanocortin-System, das für seine Rolle bei der Kontrolle des Körpergewichts durch die Regulierung von Appetit und Energieaufwand bekannt ist. Es wurde nachgewiesen, dass POMC-Neuronen bei Tieren mit normalen Insulinwerten den Glukosemetabolismus steuern. Eine anschließende Zerstörung der Insulin-produzierenden Beta-Zellen im Pankreas führte zu einer Diabeteserkrankung bei den mutierten Mäusen. Nach einer intrakraniellen Verabreichung von Leptin überwachten die Wissenschaftler die klinischen Symptome von T1DM im Laufe der Zeit. Sie beobachteten, dass bei Mäusen, denen die Leptin-Rezeptoren nur in POMC-Neuronen fehlten, die Verabreichung von Leptin keine Senkung der Hyperglykämie zur Folge hatte. Dieselbe Wirkung wurde bei diabetischen Mäusen beobachtet, die Leptinrezeptoren in POMC-Neuronen nur nach-Leptin-Verabreichung exprimieren. Zusammengefasst zeigten die Ergebnisse der Studie LEPTINT1DM, dass Leptinrezeptoren auf POMC-Neuronen für die Vermittlung einer nur marginalen Komponente der Hyperglykämie senkenden Wirkung von Leptin erforderlich sind. POMC-Neuronen spielten eine untergeordnete Rolle in der anti-diabetischen Wirkung von Leptin, was darauf hindeutet, dass andere Neuronen beteiligt sind. In nachfolgenden Experimenten, in denen Wissenschaftler Leptinrezeptoren auf GABA-ergen Neuronen und POMC exprimierten, beobachteten sie, dass das Engagement des Leptins mit diesen Rezeptoren seine lebensrettende und anti-diabetischen Effekte im Zusammenhang mit Insulinmangel vermittelte. Klinische Umsetzung der Leptin-Monotherapie Eine Insulintherapie unterliegt mehreren Einschränkungen und einer Reihe von Begleiterkrankungen, die das Leben von Patienten mit Insulinmangel gefährden. Obwohl die vorklinischen Ergebnisse einer Leptinverabreichung Hoffnung erwecken, ist es in klinischen Studien bislang nicht gelungen, die Wirksamkeit von Leptin bei Patienten nachzuweisen, die keinen Leptinmangel aufweisen. Ein umfassendes Verständnis der neuronalen und molekularen Mechanismen der Leptinfunktion bei Diabetes sollte zur Identifizierung neuer Ziele beitragen, um Stoffwechselstörungen, die durch Insulinmangel verursacht werden, entgegenzuwirken. Diese Ziele werden als Grundlage für die Entwicklung von verbesserten Anti-T1DM-Strategien ohne die Risiken einer Hypoglykämie und von Herz-Kreislauf- Erkrankungen dienen. In der Tat kann die Stärkung der neuralen Kreise des Hypothalamus und ihrer nachgeschalteten Effektorkomponenten eine Hyperglykämie in Fällen der Insulindeffizienz verbessern.
Schlüsselbegriffe
Leptin, Insulin, Typ-1-Diabetes mellitus, Hypoglykämie, LEPTINT1DM, Hypothalamus, Proopiomelanocortin-Neuronen