Eine gemeinsame Infrastruktur für die biomedizinische Forschung
Durch die Zusammenführung von zwölf europäischen biomedizinischen wissenschaftlichen Forschungsinfrastrukturen will BIOMEDBRIDGES (Building data bridges between biological and medical infrastructures in Europe) die Stolpersteine für den Datenaustausch und die Interoperabilität innerhalb und zwischen Life-Science-Bereichen aus dem Weg räumen. Es führt Daten zu unterschiedlichen räumlichen Skalen, Spezies, Technologien und Forschungsgemeinschaften zusammen, um neue Wege für die Analyse von Problemen zu ermöglichen und schließlich neue, komplexe wissenschaftliche Fragen zu beantworten. Hierbei stützt sich das Projekt auf zwei Gruppen von Werkzeugen und spezifischen Anwendungsfällen, um ihr Potenzial zu demonstrieren: auf der einen Seite auf Werkzeuge, die sich an biomedizinische Forscher in einer Reihe von Disziplinen richten, und zum anderen auf Werkzeuge, die spezifischer auf bestimmte Nutzergemeinschaften oder Forschungsfragen ausgelegt sind. "Ein Beispiel für die erste Art von Werkzeug ist das Meta Service Registry von BIOMEDBRIDGES. Es vereint eine Vielzahl von biomedizinischen Computerprogrammen und Tools zu einem einzigen Zugangspunkt und macht es den Forschern einfach, biomedizinische Software und Tools zu finden, zu vergleichen und zu nutzen. Es kann ihnen helfen, eine wissenschaftliche Frage oder Fragen im Bereich der Forschungsförderung zu beantworten. Zum Beispiel: 'Welche Gene Ontology-Tools gibt es?' Oder: 'Welches dieser Tools wird am meisten zitiert?' Durch die Bereitstellung von relevanten, strukturierten Ergebnisse ergänzt das Register Suchmaschinen wie Google: Der Nutzer kann mithilfe verschiedener Such- und Filteroptionen genau angeben, was er benötigt, und erhält eine maßgeschneiderte Liste geeigneter Ressourcen. Von der Sequenzierung bis hin zu Strukturen, von Bildgebung bis Indizierung, das Register deckt eine große Bandbreite von Domänen und damit den Großteil der von den BIOMEDBRIDGES-Partnern vertretenen Aktivitäten", erklärt Friederike Schmidt-Tremmel, Projektleiterin bei ELIXIR und Koordinatorin von BIOMEDBRIDGES. Ein weiteres Beispiel ist das Bewertungstool für rechtliche und ethische Anforderungen LAT (Legal and ethical requirements assessment tool), das Forscher dazu berät, wie man mit sensiblen Daten umgeht, ohne unbedingt Experten konsultieren zu müssen. Dieses stellt klar, ob und wie Daten einer bestimmte Art und Form gemeinsam genutzt werden können und wann zusätzliche Maßnahmen oder eine kompetente Beratung benötigt werden – und spart damit wertvolle Zeit in dem Prozess. Die DIAB Ontology ist ein Beispiel für die zweite Gruppe von Werkzeugen, denn sie überbrückt die Kluft zwischen Mausmodellen und Humanstudien bei Typ-2-Diabetes und Fettleibigkeit. "Forscher, die mit menschlichen Patienten arbeiten, und solche, die an Mausmodellen forschen, gehören zu verschiedenen, meist getrennten Gemeinschaften, von denen jede ihre eigene Ontologie hat. Es gibt mehr als 100 menschliche genomweite Assoziationsstudien (GWAS) zu dem Stichwort 'Diabetes' und mehr als 750 Mausmodelle (Phänotypen) zu dem Thema 'erhöhter zirkulierender Glukosespiegel'", stellt Schmidt-Tremmel fest. "Das DIAB Ontologie-Tool 'überquert die Arten-Brücke' zwischen Mausmodellen und Menschen, indem es eine diabetesspezifische Ontologie für beide schafft und umfangreiche Daten zu Maus-Phänotypen klinischen Forschern zugänglich macht. Ärzte können nun menschliche Genome mit denen eines gut etablierten experimentellen Modells – der Maus – mit der selben Krankheit vergleichen und die Pfade des Glukosestoffwechsels eingehender erforschen". Mit diesen computergestützten Hilfen will das Projekt den Forschungsprozess von der Grundlagenforschung bis zu kommerziellen Anwendungen beschleunigen, zum Beispiel bei der Suche nach neuen Arzneimitteln. "BIOMEDBRIDGES erweiterte das UniChem-Werkzeug, das ursprünglich als Teil der EU-Infrastruktur OPENSCREEN entwickelt wurde, um viele verschiedene Chemie-Datenbanken zu kleinen Molekülen miteinander zu verknüpfen. BIOMEDBRIDGES hat die Konnektivitätssuchfunktion entwickelt, mit der Benutzern nicht nur "gleiche" chemische Verbindungen in verschiedenen Ressourcen aufspüren können, sie findet auch "ähnliche" Verbindungen, die sich in einigen Eigenschaften unterscheiden. Auf diese Weise findet und verknüpft das UniChem-Tool 60 Millionen verwandte Moleküle aus 21 Datenquellen weltweit. Mit enthalten sind etwa Informationen darüber, ob eine bestimmte Verbindung patentiert wurde oder welche Forschungen an ihr durchgeführt wurden", erklärt Schmidt-Tremmel. "Diese Funktionalität kann die Erforschung zu dem Wirkmechanismus eines bestehenden Wirkstoffs und seiner möglichen Off-Label-Anwendungen ankurbeln. Das ist besonders wichtig bei der Entwicklung neuer Arzneimittel, wo eine frühe Kandidatensichtung (das Herausfiltern von Verbindungen, deren weitere Erforschung sich am meisten lohnt) Zeit- und Kostenaufwand erheblich reduzieren kann." Insgesamt wurden fünf Anwendungsfälle eingerichtet, um die Datenintegration aus der Perspektive ihrer Nutzergemeinschaft oder eines konkreten Forschungsthemas zu betrachten: PhenoBridge, das eine Brücke zwischen den Spezies Maus und Mensch schlägt, die Interoperabilität von großen Bilddatensätzen mit unterschiedlichen biologischen Skalen, personalisierte Medizin (Integration komplexer Datensätze, um die Pathogenese einer Erkrankung zu verstehen und die Auswahl von Biomarkern und Behandlungen zu verbessern), Zellen zu Molekülen (Integration von Strukturdaten) und schließlich die Integration von krankheitsbezogenen Daten und Terminologien zu verschiedenen Arten von Proben. Ein mehrschichtiger Ansatz BIOMEDBRIDGES wählte einen mehrschichtigen Ansatz zur Integration von verfügbaren Daten: Interoperabilität wird durch die Harmonisierung von Ressourcen in Forschungsinfrastrukturen erreicht. Dabei kommen zunächst etablierte Technologien zum Einsatz, aber langfristig zielt das Projekt auf eine anspruchsvollere semantische Interoperabilität und Benutzerschnittstellen ab, mit deren Hilfe Forscher – in einem einzigen Schritt – Millionen von Einträge nach Informationen suchen können, die sich am besten für eine wissenschaftliche Frage oder eine bestimmte Krankheit eignen. "Dieser schrittweise, mehrschichtige Ansatz stellt sicher, dass alle Forschungsinfrastrukturen und Datenressourcen systematisch auf eine höhere Stufe der Integration gebracht werden können", so Schmidt-Tremmel. "Fast als Nebeneffekt führt dies zu der notwendigen Expertise bei allen Beteiligten, um in zukünftigen Bemühungen die Dateninteroperabilität weiter zu fördern. Diese fortlaufende Zusammenarbeit bietet auch die Möglichkeit, in Bezug auf den Umgang mit Daten eine echte Integration – vielleicht sogar einen Kulturwandel – in den Biowissenschaften zu erreichen." Der nächste Schritt: CORBEL Viele der von BIOMEDBRIDGES entwickelten Tools wurden bereits veröffentlicht und stehen jetzt über die beteiligten Forschungsinfrastrukturen zur Verfügung. Sie wurden oder werden in verschiedene Dienstleistungen der beteiligten Forschungsinfrastrukturen eingebettet. Zum Beispiel wurden die Erkenntnisse aus der Entwicklung des Prototyps für das BIOMEDBRIDGES Meta Service Registry in die Tools und das Data Service Registry (bio.tools) von ELIXIR aufgenommen, und das LAT wird Teil eines umfassenderen Dienstes zur Unterstützung von Nutzern und Anbietern von sensiblen Daten im Rahmen des gemeinsame Dienstes ELSI (Ethical, legal and social implications), der im neuen Cluster-Projekt CORBEL entwickelt werden soll. Das im September 2015 gestartete CORBEL baut auf den Ergebnissen von BIOMEDBRIDGES auf, um eine Plattform für einen harmonisierten Zugang zu biologischen und medizinischen Technologien, biologische Proben und Datendiensten für innovative biomedizinische Forschungen zu schaffen.
Schlüsselbegriffe
Biotechnologie, biomedizinische Forschung, Interoperabilität, gemeinsame Nutzung von Daten