Das Universum aus dem Untergrund erforschen
Neutrinos gehören zu den leichtesten der rund zwei Dutzend bekannten subatomaren Teilchen, die unseren Planeten aus allen Richtungen erreichen. Sie stammen aus den Überresten des Urknalls, mit dem das Universum begann, von explodierenden Sternen und von unserer Sonne. Diese Teilchen reisen mit Lichtgeschwindigkeit und passieren die Erde nahezu ohne gegenseitige Beeinflussung. Da sie nicht so einfach zu stoppen sind, beinhalten sie einzigartige Informationen über die Prozesse, die in den Weiten des Universums und im Kern von Sternen vor sich gehen. Dass bedeutet, dass Neutrinodetektoren Dinge zugänglich werden, die Teleskope nicht erfassen, da sie "nur" die Oberfläche der Himmelskörper betrachten können. Um ein neues Fenster zur Erkundung des Universums mit Neutrinos aufzustoßen, initiierten nun Physiker das EU-finanzierte Projekt LAGUNA . Damit die Neutrinos nicht mit kosmischer Strahlung, d. h. die Erde nicht durchdringenden subatomaren Teilchen, verwechselt werden, wird man einen unterirdischen Detektor bauen, der viel größer und empfindlicher als die derzeit eingesetzten Anlagen sein wird. Die erste Projektphase beinhaltete die Untersuchung von sieben vorausgewählten potenziellen Standorten in Spanien, Frankreich, Polen, Rumänien, Finnland und im Vereinigten Königreich. Für jeden Standort wurde eine detaillierte geologische Bewertung der unterirdischen Hohlräume durchgeführt, um die am besten geeignete Stelle zu ermitteln, wo Instrumente mit einer Gesamtmasse von rund 100 000 bis 500 000 Tonnen untergebracht werden können. Man zog drei verschiedene Typen von Neutrinodetektoren in Betracht: Memphys, Glacier und LENA (Low energy neutrino astronomy). In deren Kern befindet sich ein riesiger, mit tonnenweise Flüssigkeit gefüllter Behälter, der mit an der Innenfläche angeordneten Lichtsensoren beobachtet wird. Die Flüssigkeit, entweder Wasser oder flüssiges Argon, wirkt als Erfassungsmedium. Nach den Erkenntnissen der Forscher wird das außerordentlich ehrgeizige Experiment aus einer Flüssigargonkammer mit einer Masse von ungefähr 20 000 Tonnen, ergänzt durch einen magnetisierten Eisendetektor, aufgebaut sein. Der ideale Standort wäre in einer Tiefe von 1 400 m innerhalb der Pyhäsalmi-Mine in Finnland. Zur gleichzeitigen Bewertung der gebotenen wissenschaftlichen Möglichkeiten vereinte das LAGUNA-Projekt Industriepartner und die Forschergemeinschaft. Die Physiker wiesen auf die Notwendigkeit der Kopplung des neuen Neutrino-Observatoriums mit Neutrinostrahlen von der Europäischen Organisation für Kernforschung (CERN) und der Untersuchung der Materie-Antimaterie-Asymmetrie in Neutrino-Oszillationen hin. Die nächste Phase des Projekts mit dem Titel LAGUNA-LBNO hat bereits begonnen. Sie wird zusätzlich zur endgültigen Wahl des Detektors und des Standorts eine weitere Herausforderung angehen: Die Bestimmung der Gesamtkosten des unterirdischen Baus, der Inbetriebnahme und des Langzeitbetriebs des Observatoriums.