Bildung kooperativer mehrzelliger Biofilme entschlüsseln
Während wir bei Bakterien eher an einzellige Organismen denken, entscheiden sich die meisten Bakterien interessanterweise für eine mehrzellige Lebensweise in Form von Biofilmen. Wie Petya Krasteva mitteilt, handelt es sich dabei im Wesentlichen um Bakterienstädte, deren Gerüste und Wallanlagen aus sekretierten Polymeren wie etwa Exopolysacchariden aufgebaut sind. „Das bedeutet, dass die Bakterien für eine relativ konstante Umgebung sorgen können. Sie können sich selbst vor schädlichen externen Faktoren einschließlich der Immunreaktionen des Wirts schützen und sind in der Lage, Arbeitsteilung zu betreiben“, sagt Krasteva, Gruppenleiterin des Teams für Strukturbiologie von Biofilmen am Europäischen Institut für Chemie und Biologie (IECB). Bakterien innerhalb von Biofilmen können tatsächlich eine Makrokoloniezählung durchführen. Wird eine Mindestanzahl erreicht, die ausreicht, um das Wirtsimmunsystem zu überwinden, können sie die Expression virulenter Gene steuern und neue Oberflächen besiedeln. „Pathogene Ansammlungen zu verteilen oder zu verhindern, dass Bakterien überhaupt mehrzellige Gemeinschaften bilden, kann eine alternative Strategie zu herkömmlichen Antibiotika darstellen, wenn dem Auftreten und der Verbreitung von ‚Superbakterien‘ entgegengewirkt werden soll“, erklärt Krasteva, die das vom Europäischem Forschungsrat (ERC) unterstützte Projekt BioMatrix leitete.
Wahrnehmungs- und Sekretionsprozesse einiger Bakterienzellen entschlüsseln
Mauern und Wälle der bakteriellen Makrokolonien sind aus sekretierten Polymeren aufgebaut. Dabei handelt es sich meist um Exopolysaccharide (sehr lange Zucker unterschiedlicher Komplexität), aber auch um Fasern auf Proteinbasis und sogar um eine Art extrazelluläre DNS. Krasteva erläutert: „Es handelt sich um extrem resistente Makromoleküle: Denken Sie beispielsweise an Zellulose, die wir seit Jahrtausenden zum Bau unserer Gebäude oder zur Anfertigung strapazierfähiger Kleidung verwenden!“ Während die Sekretion dieser verschiedenen Polymere in sehr komplexen Entwicklungsprozessen erfolgt, werden viele von ihnen durch einen einzigen intrazellulären sekundären Botenstoff, das zyklische Dinukleotid c-di-GMP, aktiviert. Das Team des Projekts BioMatrix konzentrierte sich darauf, zu entschlüsseln, wie einige dieser c-di-GMP-Sensibilisierungs- und Polymersekretionsprozesse in der Bakterienzelle ablaufen und wie dies zur Bildung kooperativer mehrzelliger Biofilme mit komplexer Architektur führt.
Nachbau bakterieller Filme zur Schwachstellensuche
Das Team nutzte vor allem Kryoelektronenmikroskopie und Röntgenkristallografie, um hochaufgelöste Schnappschüsse der kodierten Proteine und Proteinkomplexe aufzunehmen. Diese würden ihnen im Wesentlichen einen detaillierten molekularen Bauplan der untersuchten bakteriellen Nanomaschine liefern. Damit handelt es sich um einen Fall von Retro-Engineering, d. h. Nachbau. „Im besten Fall verfügen wir sowohl über die globale Architektur der Maschinerie als auch über eine detaillierte Teileliste der in sie eingebauten Komponenten. Von da an geht es ein bisschen wie bei einem Automechaniker zu, der einen Motor zerlegt und wieder zusammenbaut, um genau zu erfahren, wie er funktioniert und, was noch wichtiger ist, was für seine Funktion wesentlich ist“, merkt Krasteva an.
Den Mechanismus der Bakterienfilmentwicklung unterbrechen
Wichtig ist, dass die Identifizierung von Schlüsselstellen wie etwa einer einzelnen Aminosäure im aktiven Zentrum eines Proteins, einer Schnittstelle zwischen Untereinheiten in einem größeren Komplex oder eines regulatorischen Motivs auf dem bakteriellen Chromosom als ein hochspezifisches Ziel zum Design von Verbindungen zur Aktivitätsunterbrechung genutzt werden kann. Dank der ERC-Finanzhilfe konnte das Projektteam sein Labor in ein besser ausgestattetes Institut verlegen, wo es direkten Zugang zu modernster Infrastruktur gab. Auf diese Weise konnten mit Erfolg Ziele angegangen werden, die ursprünglich nicht im anvisierten Bereich lagen. „Außerdem konnte ich auf diesem Wege viel wissenschaftlichen Nachwuchs einstellen. Viele der wichtigsten Ergebnisse wurden von bemerkenswerten Frauen der Wissenschaft auf der Ebene der Studentinnen, Doktorandinnen und Postdoktorandinnen erzielt – und als Frau in einer fast ausschließlich männlich besetzten Fakultät bin ich sehr stolz darauf, dass ich sie motivieren und betreuen konnte“, fügt Krasteva hinzu.
Schlüsselbegriffe
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