Quecksilberverschmutzung und ihre Auswirkungen auf die Vogelwelt im Amazonasgebiet
Die Konzentration von Quecksilber, dem drittgiftigsten Metall nach Arsen und Blei, steigt aufgrund der Aktivitäten des Menschen weiter an und stellt für Ökosysteme weltweit eine erhebliche Bedrohung dar. Schwermetalle verbleiben tendenziell in der Umwelt, sammeln sich in tierischem Gewebe und in der Nahrungskette an und haben zahlreiche schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier. Die mit einfachen Mitteln im kleinen Maßstab betriebene Goldgewinnung gilt als eine der größten Quellen von Quecksilberemissionen im westlichen Amazonasgebiet, wo die Ablagerung von Quecksilber in Gewässern infolge dieser Art des Goldabbaus erheblich zugenommen hat. Die durch die Quecksilberexposition hervorgerufen genomischen Veränderungen sowie die im Lauf der Zeit auftretenden evolutionären Auswirkungen auf Populationen und Arten zu verstehen, wird dazu beitragen, die Kosten für Wildtiere und Ökosysteme abschätzen zu können. Dabei wird außerdem erkundet, wie sehr menschliche Gemeinschaften ähnlichen Risiken ausgesetzt sind. „Anhand der Ermittlung von Mechanismen, durch die sich Vögel an die langfristige Quecksilberverschmutzung anpassen, können wir Strategien entwickeln, um diese Auswirkungen auf Vögel, Menschen und andere Arten zu mildern“, sagt Tali Magory Cohen, Hauptforscherin des Projekts AMAZON_MERCURY, das im Rahmen der Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen unterstützt wird.
Genomsequenzierung zeigt evolutionäre Reaktion auf Quecksilber in der Umwelt
Das Projektteam konzentrierte sich auf Fischfresser, hauptsächlich die Eisvögel, Insektenfresser, vor allem die Cayenneschwalbe, und Körnerfresser, im Wesentlichen den Schwarzkehlkardinal. Diese Arten repräsentieren diese Region am besten, da sie relativ häufig vorkommen und ihre Größe variiert (14 bis 304 g). Magory Cohen, die ihre Forschungen am Center for Evolutionary Hologenomics der Universität Kopenhagen unter der Anleitung von Tom Gilbert durchführte, erklärt, dass das Team einige zusätzliche Arten eingefangen hat, wenn es in Übereinstimmung mit den Gegebenheiten und Genehmigungen möglich war. Anhand der Sequenzierung des Genoms (DNS) und des Transkriptoms (RNS) der Vögel untersuchte das AMAZON_MERCURY-Team verschiedene Perspektiven des stattfindenden evolutionären Wandels. Sie hebt hervor: „Während es sich bei genomischen Veränderungen meist um Veränderungen handelt, die über mehrere Generationen vor sich gehen, können Veränderungen des Transkriptoms im Individuum gemessen werden und gelten als unmittelbarer.“ In Zusammenarbeit mit der University of California, Davis, wo die Forscherin von Rachael Bay betreut wurde, maß Magory Cohen sowohl in Umwelt- als auch in biologischen Proben das Quecksilber. Sie wollte den Zusammenhang zwischen dem in der Umwelt vorhandenen Quecksilber und den Konzentrationen in Vogelgeweben, etwa in Blut und Federn, erkunden. „Wir haben die Quecksilberwerte bei historischen und aktuellen Proben von Vögeln miteinander verglichen, die in der gleichen Region gefangen wurden, um die Rolle der jüngsten Prozesse der mit einfachen Mitteln im kleinen Maßstab betriebenen Goldgewinnung als Quelle der Quecksilberverschmutzung zu verstehen.“
Auswirkungen von Quecksilber in den ungeschützten Gebieten der westlichen Amazonasregion
Im Rahmen des Projekts wurde festgestellt, dass die Quecksilberkonzentration in Seesedimenten in ungeschützten Gebieten höher war, in denen mit einfachen Mitteln im kleinen Maßstab Gold gewonnen wird. Dies entsprach den bekannten biochemischen Prozessen der Methylierung von ionischem Quecksilber durch Sedimentbakterien. Die Quecksilberwerte der Vögel waren bei den in ungeschützten Gebieten gefangenen Vögeln deutlich höher, während die Werte des Stresshormons Corticosteron bei Vögeln mit höherer Quecksilberbelastung deutlich niedriger ausfielen, was darauf hindeutet, dass deren Gesundheit beeinträchtigt ist. Magory Cohen hat außerdem Gene ermittelt, die bei Vögeln mit hohen Quecksilberwerten unterschiedlich aktiviert werden. Viele dieser Gene waren mit enzymatischer Aktivität und zellulären Funktionen verbunden, und einige waren zuvor im Zusammenhang mit Reaktionen auf Toxizität identifiziert worden. Sie stellt fest: „Hier deutet sich an, dass einer der Mechanismen, die bei der Reaktion auf eine langfristige Quecksilberexposition eine Rolle spielen, die Regulierung einer spezifischen Genexpression ist, die zu einer direkten Auswirkung auf das Individuum und möglicherweise zu indirekten Auswirkungen auf die Vogelpopulation und die gesamte biologische Vielfalt führt.“ In Anbetracht der bekannten Merkmale der Quecksilberanreicherung in der Nahrungskette waren Fischfresser am stärksten von der Quecksilberverschmutzung der Umwelt betroffen. Sie wiesen im Vergleich zu Insektenfressern und Körnerfressern die höchsten Quecksilberbelastungen in ihren Geweben, die deutlichsten Veränderungen im Stresshormonspiegel und die auffälligsten Unterschiede im Genexpressionsmuster auf. „Wichtig ist zu erkennen, dass wir uns zwar mit Vögeln befasst haben, aber die Auswirkungen auf die Gesundheit und die evolutionären Folgen auch für den Menschen relevant sein können. Unsere Erkenntnisse legen nahe, dass die Umweltverschmutzung durch Quecksilber eine Bedrohung für die biologische Vielfalt darstellt“, erklärt Magory Cohen.
Schlüsselbegriffe
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