Meeresmikroorganismen bekämpfen Kunststoffabfall
Die vielseitigen Eigenschaften der Kunststoffe lassen sie zu attraktiven Materialien für zahlreiche Anwendungen von Kleidung bis hin zu Verpackungen werden. Die falsche Bewirtschaftung von Kunststoffabfällen hat jedoch dazu geführt, dass sich die Ozeane mit Plastik füllen, was eine erhebliche Bedrohung für die natürliche Umwelt bedeutet. Außerdem ist bekannt, dass Mikro- und Nanoplastikteilchen, die beim Abbau von Kunststoffen entstehen können, in die Nahrungskette gelangen, was für die Organismen negative Folgen hat. Es ist davon auszugehen, dass Kunststoffe über Jahrhunderte in der Umwelt verbleiben werden. Jedoch gibt es zunehmend belastbare Beweise dafür, dass Mikroorganismen bei der Zersetzung von Kunststoffen eine Rolle übernehmen und die Halbwertszeit von Kunststoffprodukten verringern können.
Meeresmikroorganismen, die Kunststoffe abbauen
Das Hauptziel des EU-finanzierten Projekts VORTEX besteht darin, spezifische Mikroorganismen zu ermitteln, die Kunststoffe zersetzen können, sowie die Geschwindigkeit dieses Prozesses zu bestimmen. Zu diesem Zweck haben Helge Niemann und sein Team ein Verfahren zur Nachverfolgung stabiler Isotope mithilfe von 13C-markierten Polymeren entwickelt. „Wir haben diese Polymere in Meeresumgebungen platziert und die Besiedlung mit Mikroorganismen beobachtet“, erklärt er. Mit dieser Methode konnte eindeutig das Vorhandensein von kunststoffabbauenden Mikroorganismen in ozeanischen Umgebungen bestätigt werden. Die Untersuchung hat insbesondere bestimmte Mikroorganismen wie den im Meer vorkommenden Pilz Rhodotorula mucilaginosa ins Rampenlicht gerückt, der effektiv Polyethylen abbaut und auf diese Weise einen konkreten Beweis für den Kunststoffabbau durch Mikroorganismen liefert. Zudem ergab die Forschungsarbeit unterschiedliche mikrobielle Gemeinschaften, die mit verschiedenen Kunststoffarten assoziiert sind, was auf ein selektives Besiedlungsmuster und eine Abbaupräferenz für verschiedene Kunststoffsubstrate hinweist. „Die physikalisch-chemische Vorbehandlung von Kunststoffen, insbesondere durch UV-Licht, scheint den Abbau zu beschleunigen, wobei die Polymermoleküle anfälliger gegenüber dem enzymatischen Abbau werden“, erklärt Annika Vaksmaa, Postdoktorandin im VORTEX-Team.
Ökologische Auswirkungen der Kunststoffzersetzung
In Feldversuchen wurden überzeugende Belege dafür gefunden, dass Mikroorganismen in Biofilmen, die sich wild auf Kunststoffen ansiedeln, Plastik abbauen. Diese Beobachtung hebt die weitreichenden ökologischen Auswirkungen der Zersetzung von Kunststoffen durch Mikroorganismen hervor. In Zusammenarbeit mit Fachleuten für Atmosphärenphysik wurden mithilfe von Massenspektrometrieverfahren, die ursprünglich für die Aerosolmessung entwickelt wurden, erhebliche Mengen an Nanoplastik in der Meeresumwelt nachgewiesen. Diese Entdeckung wirft kritische Fragen zu den Quellen, dem Verbleib und den Wechselwirkungen von Nanokunststoffen mit mikrobiellem Leben im Ozean auf. Die Abbaugeschwindigkeit von Mikroplastik im Meer wurde auf einige Prozent pro Jahr geschätzt, was eine natürliche Widerstandsfähigkeit der Ozeane gegenüber Plastikverschmutzung über längere Zeiträume hinweg andeutet. Die Anhäufung von Kunststoffmüll übersteigt jedoch weiterhin diese natürlichen Abbauraten und verschärft das Gesamtproblem der Umweltbelastung durch Kunststoffe. „Auch wenn die Plastikverschmutzung heute aufhören würde, würde es wahrscheinlich mehrere Generationen dauern, bis die vorhandenen Kunststoffe im Meer abgebaut sind“, betont Niemann.
Nanokunststoffe: Erkenntnisse für die Zukunft
Mit Blick in die Zukunft besteht das Ziel des Projekts VORTEX darin, potenzielle plastikabbauende Mikroorganismen in verschiedenen ozeanischen Lebensräumen zu kartieren und die biochemischen Signalwege und Enzyme zu entschlüsseln, die an der Zersetzung der Kunststoffe beteiligt sind. Die laufende Erforschung der Nanokunststoffe, ihrer Herkunft und ihrer Wechselwirkungen mit mikrobiellem Leben wird voraussichtlich entscheidende Erkenntnisse über den Verbleib und die Auswirkungen dieser winzigen Plastikteilchen im Ökosystem Meer liefern. „Unsere bisherigen Erkenntnisse haben Auswirkungen, die über das Reich der Wissenschaft hinausgehen und eine Aufforderung an die Verantwortlichen der Politik bedeuten, fundierte Strategien zur Eindämmung der Plastikverschmutzung in Betracht zu ziehen“, schließt Niemann. Gezielte Maßnahmen in den verschiedenen Phasen des Lebenszyklus von Kunststoffen, die auf einem tieferen Verständnis der Abbaupfade und der mikrobiellen Interaktionen beruhen, sind für den Schutz der Meeresökosysteme vor der Bedrohung durch Plastikverschmutzung unerlässlich.
Schlüsselbegriffe
VORTEX, Ozean, Kunststoffabbau, Umweltbelastung, Nanoplastik, Mikroorganismen, Mikroplastik, Rhodotorula mucilaginosa