Mit neuem Datensatz unser Verständnis demokratischer Übergänge neu definieren
Warum gehen manche Diktaturen zur Demokratie über, während andere dem Druck in Richtung Liberalisierung widerstehen? Und warum zeigen einige Demokratien eine gewisse Resilienz, während andere zurückfallen oder völlig scheitern? Obwohl Fragen dieser Art für das Verständnis des Regimewechsels von zentraler Bedeutung sind, erfordern die bestehenden quantitativen Ansätze der Politikwissenschaft, zweifelhafte Annahmen zu treffen, und stützen sich diese auf fragwürdige Analyseeinheiten. Außerdem verfolgen sie Fragen über den Zusammenbruch der Demokratie und den demokratischen Übergang als getrennte Forschungsagenden, wodurch eine gemeinsame und kohärente Untersuchung des Regimewechsels behindert wird. Dank eines neuen Datensatzes über Regimetransformation, der von Forschenden des V-Dem Instituts (Varieties of Democracy) entwickelt wurde, können nun Demokratisierung und Autokratisierung als verwandte, aber gegensätzliche Prozesse wissenschaftlich betrachtet werden. Der mit Unterstützung des Projekts FASDEM erstellte Datensatz erfasst 680 Episoden der Regimetransformation im Zeitraum von 1900 bis 2019. Außerdem wird zwischen verschiedenen Arten der Regimetransformation unterschieden: Liberalisierung in Autokratien, demokratische Vertiefung in Demokratien und Autokratisierung sowohl in Demokratien als auch in Autokratien. Das Projekt FASDEM wurde vom Europäischen Forschungsrat finanziert. In der Datenbank über Regimetransformation werden zehn Muster mit unterschiedlichen Ergebnissen unterschieden, wozu demokratischer Übergang oder Zusammenbruch der Demokratie zählen. Anhand des Datensatzes kamen die Forschenden zu dem Schluss, dass nur einige Regimetransformationen das Potenzial für einen Regimewechsel innehaben, und dass es keine Garantie dafür gibt, dass ein solcher Übergang stattfinden wird. Tatsächlich gehen nur etwa 40 % der Autokratien, in denen Liberalisierung stattfindet, tatsächlich in eine Demokratie über. Dagegen erfahren 77 % der Demokratien, die eine Autokratisierung zulassen, am Ende der Episode einen Zusammenbruch.
Drei zentrale Vorteile
Laut einem im „Journal of Peace Research“ veröffentlichten Artikel bietet der Datensatz über Regimetransformation drei wesentliche Vorteile gegenüber anderen Ansätzen, da er neuartige Einblicke in Regimewechsel im Verlauf der letzten 120 Jahre zulässt. Erstens werden die problematischen Annahmen der Homogenität der Einheiten und der konstanten sowie symmetrischen Effekte vermieden. Zweitens werden wichtige Erkenntnisse aus qualitativen Studien einbezogen, indem Regimewechsel als ein allmählicher und unsicherer Prozess betrachtet werden. Zu guter Letzt ermöglicht der Datensatz den Gelehrten, Demokratisierung und Autokratisierung innerhalb desselben systematischen Rahmens zu erkunden. Um diese Vorteile zu veranschaulichen, verglichen die Forschenden die Daten über Regimetransformation für die Türkei mit Daten aus anderen Quellen. Während die anderen Quellen entweder den Grad der Demokratie überbewerteten oder Übergänge und Zusammenbrüche erfassten, konnte die langfristige Entwicklung der Türkei nur mithilfe des Datensatzes über Regimetransformation genau beschrieben werden.
Auswirkungen auf die Konfliktforschung
Der Datensatz über Regimetransformation hat sowohl für quantitative als auch für qualitative Forschungsvorhaben einzigartige Vorteile zu bieten. Die Forschenden sind daher zuversichtlich, dass der Datensatz eine breite Anwendung in der Konfliktforschung finden wird. Bestandteil dessen ist auch die Beantwortung der Frage, ob autokratische Länder aggressiver sind, ob die Demokratisierung in ethnisch heterogenen Gesellschaften ein höheres Risiko ziviler Konflikte mit sich bringt und welche Auswirkungen eine militärische Intervention auf eine Demokratie hat.
Schlüsselbegriffe
FASDEM, Demokratie, Autokratien, Liberalisierung, Übergang, Wende,Regime, Demokratisierung, Transformation, Wandel