Wie soziale Netzwerke Nachrichten sowie das politische Verhalten der Menschen verändern
In der Nachrichtenbranche findet ein großer Wandel statt. Immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher wenden sich von traditionellen Nachrichtenquellen ab und beziehen ihre Nachrichten aus sozialen Netzwerken. Als Reaktion darauf hat die Nachrichtenbranche damit begonnen, soziale Netzwerke in ihre Plattformen zu integrieren und damit Nachrichten in ein soziales Produkt zu verwandeln. Im Rahmen des vom Europäischen Forschungsrat finanzierten Projekts SNSNEWS wurde die Erstellung und Verbreitung von Nachrichten anhand eines auf der Netzwerklogik basierenden Modells analysiert, um die potenziellen Auswirkungen dieses Wandels auf die Nachrichtenproduktion und das politische Verhalten der Leserschaft zu verstehen. „Was früher in erster Linie durch den Informationswert motiviert war, wird heute weitgehend durch soziale Faktoren bestimmt. Dieser Wandel betrifft sowohl das Publikum als auch die Nachrichtenorganisationen“, sagt Shira Dvir Gvirsman, Professorin für Kommunikationswissenschaften an der Universität Tel Aviv und Koordinatorin des Projekts SNSNEWS.
Der soziale Wandel im Nachrichtenbereich
Das Projektteam führte eine Reihe von Interviews und Umfragen durch, um nachzuvollziehen, wie sich Verhalten und Produktion verändern und beleuchtete die Ergebnisse mithilfe eines statistischen Modells. Gvirsman weist darauf hin, dass sich die Analyse hauptsächlich auf den israelischen Nachrichtenmarkt stützt, womit die Ergebnisse mit einer gewissen Vorsicht zu interpretieren sind. „Dennoch ist es offensichtlich, dass die Nachrichtenorganisationen mit den Herausforderungen zu kämpfen haben, die sich aus der Dominanz der Plattformen ergeben“, fügt sie hinzu. „In ihrem Bemühen, sich anzupassen, kompromittieren sie oft ihre Grundwerte und redaktionellen Leitlinien.“ In einem der Interviews erwähnte eine einer Redaktion angehörende Person, dass einer ihrer erfolgreichsten Beiträge in Bezug auf die Interaktion einen Mangel an Ketchup bei McDonald’s zum Thema hatte und dass dieser Beitrag den Menschen als Möglichkeit diente, miteinander in Kontakt zu treten. „Es wurde zu einer Möglichkeit, in Erinnerungen zu schwelgen und zu sagen: ‚Hey, erinnerst du dich noch an das eine Mal, als es bei McDonald’s keinen Ketchup mehr gab?‘“, so Gvirsman. „Während diese Anekdote Einblicke in die Art und Weise bietet, wie Menschen Nachrichten teilen, entsteht ein Problem, wenn Nachrichtenorganisationen gezwungen sind, solche Beiträge ausschließlich zu dem Zweck zu erstellen, Interaktionen und Datenverkehr zu generieren.“ In einer Umfrage, in der die Nutzung und die wahrgenommene Qualität verschiedener Plattformen wie Facebook, TikTok und Twitter für den Nachrichtenkonsum bewertet wurden, verdeutlichten die Ergebnisse eine klare Präferenz für Plattformen, die den Nutzenden ein sozialeres Erlebnis und ein stärkeres Gefühl der Verbundenheit vermitteln.
Wie soziale Algorithmen die Nachrichten verändern
In einer noch nicht veröffentlichten Studie verfolgte das Team 40 englischsprachige Nachrichtenorganisationen über zwei Jahre hinweg. Darin wurde festgestellt, dass der Umfang der Nachrichten zu einem bestimmten Thema von der Interaktion des Publikums in sozialen Medien beeinflusst wurde. „Was mich wirklich überrascht hat, ist, dass in Redaktionen zunehmend die Motivation herrscht, Algorithmen zu übertreffen und Datenverkehr zu generieren“, sagt Gvirsman. „In diesem Bestreben neigen sie dazu, ihr Publikum als Werkzeug in ihrem Kampf gegen den Algorithmus einzusetzen, indem sie den Algorithmus und nicht das Publikum in den Mittelpunkt der redaktionellen Entscheidungen stellen.“
Überraschende Auswirkungen auf politische Inhalte
Im Rahmen des Projekts wurden außerdem Fälle erkannt, in denen konkurrierende Nachrichtenorganisationen die Inhalte der jeweils anderen Organisation übernommen haben, auch solche mit gegensätzlichen politischen Ansichten. „Diese unkonventionelle Situation ergibt sich aus dem sich entwickelnden plattformähnlichen Geschäftsmodell“, bemerkt Gvirsman. Die überraschendste Erkenntnis zum Publikumsverhalten bestand darin, dass die Nutzenden Websites mit einem geringeren Grad an Personalisierung bevorzugten. „Meine ursprüngliche Erwartung war, dass die Nutzenden maßgeschneiderte Nachrichtenerlebnisse bevorzugen würden“, fügt Gvirsman hinzu. „Stattdessen zeigten die Nutzenden eine Präferenz für Plattformen, die die Verbreitung von Nachrichten an ein größeres Publikum erleichtern.“
Schlüsselbegriffe
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