Ein menschenzentrierter Ansatz fördert das Vertrauen in KI für die Fertigung
Künstliche Intelligenz kann durch mehr Automatisierung und intelligentere Fertigungsverfahren zugleich die Produktionsqualität steigern und Kosten senken und damit zum Wandel Europas hin zur Industrie 5.0 beitragen. Vorhersagealgorithmen können den besten Zeitpunkt für Instandhaltungsmaßnahmen an den Maschinen angeben und Produktmängel ermitteln, sodass teure Produktionsausfälle vermieden werden. Künstliche Intelligenz kann außerdem Wertschöpfungsketten optimieren, indem sie Big Data zur Prognose von Angebots-, Nachfrage- und Bestandsmengen auswertet. Davon profitieren sowohl die Logistik- als auch die Produktionsplanung. Doch diese Fortschritte bringen auch erhebliche Risiken mit sich, so etwa die Einführung von Systemen, die aufgrund von unzureichenden Trainingsdaten voreingenommen sind, oder eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber Cyberangriffen. Das größte Risiko besteht allerdings wohl in dem mangelnden Verständnis und Vertrauen der Menschen an der Fertigungslinie. „Wenn die Industrie 5.0 ihr Potenzial verwirklichen soll, braucht sie nicht nur die Unterstützung dieser Menschen, sondern auch die Einbringung ihrer Erfahrungswerte“, sagt John Soldatos, technischer Koordinator des EU-finanzierten Projekts STAR (Safe and Trusted Human Centric Artificial Intelligence in Future Manufacturing Lines). Das STAR-Team entwickelte in Zusammenarbeit mit wichtigen Interessengruppen diverse fortgeschrittene KI-Technologien. Diese wurden in drei Pilotvorhaben im Hinblick auf ihre technische und soziale Leistung – insbesondere ihre Vertrauenswürdigkeit – bewertet und validiert.
KI auf dem Prüfstand
Der Pilotversuch zur Mensch-Roboter-Kollaboration (Kobotik) erfolgte in einem Werk von Philips in den Niederlanden. Dort wurden die aktiven Lernsysteme von STAR bei KI-gestützten Qualitätskontrollen erprobt und konnten die Prozesseffizienz nachweislich steigern, ohne den Kostenpunkt oder den Arbeitsablauf negativ zu beeinträchtigen. „Die KI holt im Zweifelsfall menschliche Hilfe ein. Das vermeidet Fehler und Fehlklassifikationen und lässt zugleich menschliches Wissen in die KI einfließen, wodurch sie deutlich schneller und besser trainiert wird“, erklärt Babis Ipektsidis, Projektmanager beim Projektträger Netcompany–Intrasoft. Der Pilotversuch zur KI-Sicherheit setzte erklärbare KI-Systeme bei der Produktanpassung im Bereich von Lüftungssystemen für Kraftfahrzeuge ein. Die Demonstration wurde in den Produktionsstätten von IBER-OLEFF in Portugal durchgeführt. Dort erschweren die schwankenden monatlichen Auftragsvolumen eine Optimierung des Fertigungsprozesses. „Die erklärbare KI machte verständlicher, wie Automatisierung die Produktionslinien flexibler gestalten und zugleich an Änderungen wie die Einführung neuer Teile oder Endprodukte anpassen kann“, merkt Ipektsidis an. Schließlich erfolgte noch ein Pilotversuch zur sicheren Arbeit mit KI, der Kobotik-Abläufe am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) erprobte. Mithilfe von Systemen für simulierte Realität, die auf dem Konzept des Verstärkungslernens basierten, wurden die Roboter darauf trainiert, sich bei der Ausführung von Produktionsarbeiten in einer sicheren Art und Weise um die menschlichen Arbeitskräfte herum zu bewegen. Durch die Festlegung dynamischer Sicherheitszonen für Roboter konnte die KI die Sicherheit beim kobotischen Arbeiten verbessern, wobei keine Zusammenstöße auftraten. Das Team wendete bei allen Pilotversuchen seine neue Methode zur Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit von KI-Systemen auf technischer und sozialer Ebene an. „Die technische Leistung überzeugte uns, dass diese Roboterlösungen in Realumgebungen tatsächlich dazu dienen können, die Produktionsprozesse zu verbessern“, erklärt Soldatos. „Auch die menschliche Sicherheit kann gewährleistet werden, wobei allerdings Schulungen der Belegschaft entscheidend sein werden, insbesondere für Aufgaben wie dem Ablesen von Informationen auf Dashboards und der Interpretation datengestützter Ergebnisse.“
Bewältigung der allgemeinen Arbeitsbedingungen
Wie Soldatos anmerkt, war das Vorhaben des Projekts, die Vorteile von vertrauensbildenden KI-Systemen zu demonstrieren, mit gewissen Herausforderungen verbunden. „Die Branche wandelt sich sehr schnell, daher ist es schwer, den Regelungen vorzugreifen. Das KI-Gesetz wurde während des Projekts auf den Weg gebracht, es gelang uns aber, unsere Lösungen darauf abstimmen.“ Die laufenden Kooperationen des Projekts machen es leichter, diese Herausforderungen zu bewältigen. Die Forschenden von STAR leiten die Aktivitäten der Initiative für KI-Projekte in der Fertigungsbranche, die die Zusammenarbeit und den Wissensaustausch erleichtert. Darüber hinaus stellt STAR auch Wissen für das AI4EU-Portal bereit, darunter Informationen zu KI-Modellen des aktiven Lernens. Das Projekt stellte eine Reihe seiner Ressourcen über seine Plattform Market zur Verfügung und veröffentlichte seine Ergebnisse vielfach, unter anderem in einem frei zugänglichen Buch über vertrauenswürdige KI-Lösungen, das bereits über 40 000 Mal heruntergeladen wurde. Die Partner von STAR arbeiten derzeit daran, den Reifegrad ihrer Prototypen zu erhöhen, um wie erhofft innerhalb einiger Jahre nach Abschluss des Projekts kommerzielle Produkte auf den Markt bringen zu können. Mehrere Produkte sind gegenwärtig zwar durch proprietäre Lizenzen geschützt, die Partner bieten von ausgewählten Ergebnissen allerdings quelloffene Versionen an.
Schlüsselbegriffe
STAR, Automatisierung, Fertigung, verarbeitende Industrie, künstliche Intelligenz, Menschen, Algorithmus, Vertrauen, Kobotik