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Universal explanation of low-temperature glass anomalies

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Ordnung in ungeordnete amorphe Feststoffe bringen

Mithilfe innovativer rechnergestützter und numerischer Modelle hat eine Gruppe von Physikerinnen und Physikern unser Verständnis für die Eigenschaften und das Verhalten amorpher Feststoffe wie Glas verbessert.

Was haben Fenster, Kunststoffflaschen, Gummireifen, Bonbons und Mayonnaise gemeinsam? Sie alle bestehen aus amorphen Feststoffen. „Im Gegensatz zu den gut organisierten kristallinen Festkörpern sind amorphe Festkörper ein ungeordnetes Durcheinander“, erklärt Francesco Zamponi, Physiker an der École Normale Supérieure in Paris. „Sie weisen eine Vielzahl von Anomalien auf. Unter anderem haben sie niederfrequente Schwingungsmoden, ihre spezifische Wärme und Wärmeleitfähigkeit sind unterschiedlich zu denen von Kristallen, sie reagieren nichtlinear auf beliebig kleine Dehnungen und haben eine hochgradig kooperative Dynamik.“ Da es über diese Anomalien nur ein geringfügiges Theorie-Verständnis gibt, werden amorphe Festkörper in den meisten Standardlehrbüchern der Physik weitgehend vernachlässigt. Doch mit der Unterstützung des EU-finanzierten Projekts GlassUniversality hofft Zamponi, dies zu ändern. „Unser Ziel war es, ein ‚solides‘ Fundament für einige Schlüsselaspekte amorpher Feststoffe zu legen, auf dem andere Forschungsprojekte aufbauen können“, fügt er hinzu.

Einführung in den Gardner-Übergang

Einer der theoretischen Vorschläge für eine universelle Erklärung aller mit amorphen Festkörpern verbundenen Anomalien beruht auf dem Gardner-Übergang. Benannt nach seiner Entdeckerin physicist (Elisabeth Gardner), einer Pionierin der statistischen Physik ungeordneter Systeme und der künstlichen Intelligenz, beschreibt das Konzept einen temperatur- oder druckinduzierten Übergang, bei dem sich ein ungeordnetes System (z. B. amorphe Festkörper) in einen von zahlreichen geringfügig stabilen Zuständen organisiert. „Wir wollten verstehen, inwieweit dieser Phasenübergang die Physik des Glases bei niedrigen Temperaturen steuert“, sagt Zamponi. Mithilfe rechnergestützter und numerischer Simulationen machten sich die Forschenden daran, die Anregungen und Fehler verschiedener Glasarten charakterisieren. Anregungen und Fehler beziehen sich auf die kleinen thermischen atomaren Bewegungen um die ungeordnete Referenzstruktur des Feststoffes, die sein Tieftemperaturverhalten steuern. „Die durch den Gardner-Übergang herbeigeführte Grenzstabilität sagt voraus, dass solche Bewegungen nicht nur ausgedehnt sind und sich über den gesamten festen Probenkörper erstrecken, sondern auch stark korreliert sind, wobei die Bewegung des Atoms auf der einen Seite die Bewegung auf der anderen Seite widerspiegelt“, bemerkt Zamponi.

Einige unerwartete Entdeckungen

War dies tatsächlich der Fall? Das Forschungsteam fand heraus, dass es solche Gardner-ähnlichen Anregungen gibt, allerdings nur für Gläser, die nahe genug am so genannten „Staupunkt“ liegen – dem Punkt, an dem sich beim Zusammendrücken erstmals ein mechanisch stabiles Netzwerk aus atomaren Wechselwirkungen bildet. „Das war nicht nur unerwartet, sondern auch eine Herausforderung“, so Zamponi. „Da wir nicht erwartet hatten, dass Gardner-ähnliche Anregungen außerhalb des Staubereiches verschwinden, mussten wir neue Simulationen entwickeln, um zu verstehen, wie sich diese Anregungen lokalisieren und interagieren.“ Die Forschenden fanden auch heraus, dass Glas, wenn es oberhalb des Staupunktes stark komprimiert wird – was bei der in den meisten Fenstern verwendeten Glasart der Fall ist – die Anregungen stark lokalisiert werden, da sie nur die Bewegung einiger weniger Atome betreffen. Dies war die erste direkte Beobachtung und Charakterisierung solcher Anregungen, die als tunnelnde Zwei-Niveau-Systeme bezeichnet werden und in der Glasphysik eine entscheidende Rolle spielen, anhand eines realistischen Computermodells von Gläsern. Viele der Ergebnisse dieses vom Europäischen Forschungsrat unterstützten Projekts wurden in dem Buch „Theory of simple glasses“ veröffentlicht.

Die Tür zu neuen Forschungsbereichen öffnen

Die Arbeit des Projekts GlassUniversality hat nicht nur unser Verständnis von amorphen Festkörpern wie Glas verbessert, sondern auch die Tür für die Forschung in anderen Bereichen geöffnet. Nehmen wir beispielsweise Proteine. Da man sich Proteine als ungeordnete Feststoff-Maschinen vorstellen kann, die bestimmte Funktionen ausführen können, lassen sich viele der Ideen aus dem Projekt GlassUniversality auf ihre Erforschung anwenden. „Ich denke, die Entwicklung ungeordneter Materialien, die bestimmte Funktionen ausführen können, ist eine sehr spannende Richtung für die zukünftige Forschung“, schließt Zamponi.

Schlüsselbegriffe

GlasUniversality, kristalline Festkörper, amorphe Festkörper, amorphe Feststoffe, rechnergestützte Modelle, numerische Modelle, Glas, Physik, Gardner-Übergang, Proteine

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