Antioxidantien und ihre frühzeitige Fütterung schützen kognitive Fähigkeiten von Vögeln
Die individuelle kognitive Leistung einer Art kann den Fortpflanzungserfolg durch Selektionsprozesse vor und nach der Paarung (prä-/postkopulativ) beeinflussen. Tiere zeigen bei präkopulativen Selektionsprozessen kognitive Fähigkeiten, zum Beispiel komplexe Vogelgesänge, mit denen Partnerinnen angelockt werden sollen. Bei postkopulativen Mechanismen, die vor allem bei brutpflegenden Arten eine Rolle spielen, kann die kognitive Leistung zum Beispiel mit der erfolgreichen Suche nach adäquater Nahrung für den Nachwuchs zusammenhängen. „Da das Gehirn jedoch sehr viel Energie benötigt, gibt es wahrscheinlich Abstriche zwischen kognitiver Leistung und Reproduktion.“ Es besteht eine anhaltende Debatte darüber, ob die Zusammenhänge zwischen Kognition und Fortpflanzungserfolg kausal oder durch einen anderen Faktor wie Alterung bedingt sind“, sagt Laure Cauchard, Marie Skłodowska-Curie-Forschungsstipendiatin vom EU-finanzierten Projekt COSuccess. Bei der Untersuchung der Problemlösungsfähigkeiten von Vögeln stellte COSuccess fest, dass diese Fähigkeit bei Kohlmeisen mit dem Alter abnimmt und in kausalem Zusammenhang mit dem Fortpflanzungserfolg steht, was zumindest bei Männchen der Fall war. Des Weiteren steigern Antioxidantien, die in der frühen Lebensphase mit der Nahrung aufgenommen werden, die Problemlösungsfähigkeit bei erwachsenen Tieren, was sehr wahrscheinlich darauf zurückzuführen ist, dass sie das Gehirn während der Entwicklung schützen.
Oxidatives Gleichgewicht als Einflussfaktor
Tiere wandeln Energie aus der Nahrung in Energie für ihre Zellen um, damit sich Organismen entwickeln, reproduzieren und überleben können. Mitochondrien sind kleine Organellen, die an diesem Prozess grundlegend beteiligt sind. Ihre Anzahl nimmt mit dem Alter allerdings ab. Mitochondrien erzeugen auch Abfallprodukte, die sogenannten reaktiven Sauerstoffspezies (ROS). Diese können oxidativen Stress auslösen, der das Altern beschleunigt und die Zellfunktionen, insbesondere bei Neuronen, beeinträchtigt. Antioxidantien, die endogen zum Beispiel aus Enzymen oder durch die Nahrung gewonnen werden, bieten davor Schutz. „In Vögeln ist ein positiver Kreislauf zu beobachten. Männchen mit besseren Problemlösungsfähigkeiten erreichten höhere Versorgungsraten für sich und ihren Nachwuchs, wodurch sie ihren Küken mehr Larven – eine sehr wertvolle Nahrung – füttern konnten. Eine hochwertigere Nahrung kann die Auswirkung der Alterung auf die Kognition abschwächen. Individuen, die Zugang zu höherwertiger Nahrung finden, schützen sich damit vor kognitivem Verfall, und das wiederum sorgt dafür, dass sie bei der Nahrungssuche effektiv bleiben“, erklärt Projektkoordinator Pierre Bize von der Schweizerischen Vogelwarte, an der das Projekt angesiedelt ist.
Hackordnung
Der besondere Schwerpunkt des Projekts lag auf wildlebenden Populationen von Kohlmeisen in Gotland, Schweden, da diese Vogelart bei der Nahrungssuche als besonders einfallsreich gilt. Um die Problemlösungsfähigkeit zu messen, blockierte das Team während der Brutzeit den Eingang zu Nistkästen für jeweils eine Stunde. Das Türchen öffnete sich erst, wenn die Eltern an einer Schnur zogen. Die Forschenden erfassten dann über mehrere Jahre Daten zu den individuellen Leistungen der Tiere. Infrarotkameras überwachten dabei die Unterschiede in der Nahrungsbeschaffung zwischen erfolgreichen und erfolglosen problemlösenden Eltern, um zu erfassen, wie sich Futtersuche und Fortpflanzung beeinflussen. Zuletzt wurden Küken und erwachsenen Vögeln über das Futter Antioxidantien gegeben, um die langfristigen und kurzfristigen Auswirkungen der Nahrung auf die Problemlösungsfähigkeit zu testen. „Die Messung kognitiver Fähigkeiten bei wildlebenden Tieren ist schwierig, deshalb sind wir mit unserer Längsschnittstudie sehr zufrieden, die uns – ganz ohne Gefangenschaft oder Interaktion mit Menschen – einen umfassenden wertvollen Datensatz liefert“, merkt Cauchard an.
Der Weg zum gesunden Altern
Da Menschen immer länger leben, ist die Suche nach Fahrplänen für gesünderes Altern von hoher Priorität. „Wir sind in unserem Alltag ständig auf unsere kognitiven Fähigkeiten angewiesen und COSuccess unterstreicht die wichtige Rolle, die Antioxidantien in der Nahrung und eine angemessene Ernährung im frühen Alter bei ihrem Schutz spielen“, ergänzt Bize. COSuccess verdeutlicht auch, wie wichtig es ist, biologisch vielfältige und nährstoffreiche Ökosysteme aufrechtzuerhalten, die wertvolle Futterquellen für Tiere bieten, die sich zunehmend an menschlich verursachte Veränderungen in ihrem Lebensraum anpassen müssen. Das Team beschäftigt sich nun mit der Frage, ob Antioxidantien die kognitive Alterung abbremsen können und welche Antioxidantien konkret das Gehirn schützen. Ferner wird es Studien geben, um die Ergebnisse bei anderen Arten zu validieren und weitere kognitive Merkmale zu untersuchen.
Schlüsselbegriffe
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