Wanderungsbewegungen in Europa und ihre Auswirkungen vorhersagen
Der freie Personenverkehr bringt für die EU sowohl Chancen als auch Herausforderungen mit sich. Das erfordert eine umfassende und nachhaltige Migrationspolitik. Migration ist jedoch ein unberechenbares Phänomen. Die grundlegenden Faktoren, die Menschen aus einem Land in ein anderes bewegen, sind komplex und vielfältig, was Analysen erschwert. Im Rahmen des Projekts QuantMig (Quantifying Migration Scenarios for Better Policy) entwickelten Forschende eine Reihe von Werkzeugen, um politisch Entscheidungstragende in Europa zu unterstützen. Ziel des Projekts ist es, eine evidenzbasierte Entscheidungsfindung zu ermöglichen und ein eingehenderes Verständnis von der Migrationsdynamik zu fördern. „Bei gewissen Aspekten der Migrationsprozesse lassen sich Unsicherheitsfaktoren durchaus abbauen, und QuantMig hat durch die richtige Methodik dazu beigesteuert“, sagt Jakub Bijak, Projektleiter von QuantMig und Professor für statistische Demografie an der Universität Southampton im Vereinigten Königreich. Das Projekt verfolgte die Absicht, Entscheidungen auf kurzfristiger operationeller Ebene sowie langfristig strategische Maßnahmen zu unterstützen. „Davon würden sowohl die Aufnahmegesellschaften als auch die Migrantinnen und Migranten selbst profitieren, denn die nötigen Ressourcen stünden ihnen dadurch bei Bedarf immer und überall zur Verfügung“, so Bijak weiter.
Migrationssimulationen
Das praktische Instrumentarium von QuantMig, das eine effektive Gestaltung der Migrationspolitik erleichtern soll, umfasste interaktive Modelle und Darstellungen sowie mehrere Simulationen, die speziell auf die Migrationspolitik ausgerichtet sind. Ein wichtiges Werkzeug aus der Entwicklung von QuantMig ist ein Online-Tool, das unterschiedliche Immigrationsszenarien simuliert. Nutzende können damit die Auswirkungen verschiedener Migrationsereignisse auf Bevölkerungsprognosen für einzelne Länder oder die EU als Ganzes untersuchen. Datengrundlage für dieses Tool sind die Ergebnisse eines Mikrosimulationsmodells, das ebenfalls im Rahmen des Projekts entwickelt wurde und 31 europäische Länder über den Zeitraum 2020–2060 erfasst. Es stellt die Auswirkungen der Zuwanderung auf die Erwerbsbevölkerung sowie ihre Struktur nach Alter, Geschlecht, Geburtsort und Bildungsstand aufgeschlüsselt dar. „Migration ist ein Unsicherheitsfaktor und nicht vorhersagbar. Unsere Simulationen können allerdings zeigen, welche Auswirkungen bei verschiedenen Annahmen zu erwarten sind“, erklärt Michaela Potančoková, Demografin am Vienna Institute of Demography und Mitglied des QuantMig-Teams.
Auf humanitäre Krisen reagieren
Die entwickelten Werkzeuge sind insbesondere wertvoll, um die Auswirkungen von größeren Vertreibungsereignissen wie Naturkatastrophen oder Kriegen zu analysieren. „Das ist bei schweren humanitären Krisen wie den Kriegen in Syrien oder der Ukraine, bei denen große Migrationsströme in sehr kurzer Zeit stattfinden, von besonderer Bedeutung und erfordert zeitnahe, angemessene Reaktionsmaßnahmen“, betont Bijak. Die Projektsimulationen konzentrierten sich auf die langfristigen demografischen Implikationen solcher Ereignisse, wie der Ausreise von Migrantinnen und Migranten aus Syrien zwischen 2015 und 2016. Den Ergebnissen zufolge ist kein langfristiger Einfluss auf die Bevölkerungsalterung oder die Erwerbsbevölkerung festzustellen. „Erst wenn die Migration mehrere Jahre anhält, können wir geringere Auswirkungen auf die prognostizierte Größe der Erwerbsbevölkerung für die wichtigsten Einwanderungsländer in Nordwesteuropa beobachten“, merkt Potančoková an. Das Team erarbeitete und veröffentlichte eine Reihe von Bildungsmaterialien und ein Quiz für Studierende, um das Wissen über Migration und die damit verbundenen Unsicherheiten zu verbreiten. Die Forschenden von QuantMig sind bestrebt, alle Ergebnisse auf der Projektseite öffentlich zugänglich zu machen, einschließlich Verzeichnissen der Datenquellen zu Migrationsströmen und -treibern und der gesamten Palette der entwickelten Szenario-Tools. „Mit der Entwicklung und der Förderung dieser Instrumente hoffen wir, die politisch Entscheidungstragenden darauf aufmerksam zu machen, wie wichtig ein systematischer Umgang mit Migrationsunsicherheiten ist“, fügt Bijak hinzu.
Schlüsselbegriffe
QuantMig, Migration, Simulationen, Politik, politisch Entscheidungstragende, Szenarien