Institutionelle Gegenwehr gegen die Geschlechtergleichstellung überwinden
Frauen sind in technischen Gebieten wir der IKT und MINT-Fächern noch immer unterrepräsentiert, obwohl nahezu die Hälfte der Promovierenden Frauen sind. Außerdem machen sie nur ein Drittel der Forschenden in der EU aus und ihre Arbeitsbedingungen sind häufig unsicherer als die ihrer männlichen Kollegen. „Frauen sind in den höchsten Ebenen der Wissenschaft und in Positionen mit Entscheidungskompetenzen unterrepräsentiert“, sagt Maria Silvestre von der Fakultät für Sozial- und Humanwissenschaften an der Universität Deusto in Spanien. „Sie haben weniger Erfolg als Männer beim Zugang zu Forschungsförderung und machen einen bedeutend geringeren Anteil bei Erfindungen aus. Kurz gesagt besteht noch immer geschlechtsspezifische Ungleichheit in der Forschung und Innovation in der Hochschulbildung.“ Um diese etablierten Ungleichheiten zu bewältigen und im Einklang mit den Bemühungen der Europäischen Kommission für mehr Geschlechtergleichstellung in der Forschung und Innovation haben Einrichtungen Gleichstellungspläne eingeführt. In diesen Plänen ist der Bedarf an spezifischen Maßnahmen, zugewiesenen Mitteln und einer besseren Koordination festgelegt, damit konkrete Schritte unternommen werden, um die notwendigen Veränderungen zu erreichen. Dies ist zwar ein guter Schritt nach vorn, doch sind noch weitere Hürden zu bewältigen. „Die Gegenwehr kann explizit oder verdeckt sein und von einzelnen Personen oder Gruppen ausgehen oder aber auf institutioneller Ebene aufkommen“, fügt Silvestre hinzu. „Sie äußert sich durch Leugnung, eine Nichtanerkennung der Verantwortung, fehlendes Handeln und Repression.“
Eine wirksame Umsetzung von Gleichstellungsplänen
GEARING ROLES (Gender Equality Actions in Research Institutions to traNsform Gender ROLES) wurde 2019 ins Leben gerufen und soll die Hindernisse bei der Anstellung und dem beruflichen Vorankommen von Frauen bewältigen. Im Mittelpunkt des Projekts stehen der Entwurf und die Umsetzung von sechs individuellen Gleichstellungsplänen für Forschungs- und Innovationseinrichtungen, die Teil des Konsortiums sind. Zudem wurden Netzwerkveranstaltungen organisiert, um den Wissens- und Erfahrungsaustausch unter diesen Einrichtungen anzuregen. Im weiteren Sinne soll durch das Projekt, das bis Ende 2022 läuft, die weibliche Führung in Forschungseinrichtungen gefördert, die Geschlechterdimension in Forschungsprogrammen gestärkt und ein nachhaltiges Organisationsnetzwerk zum Ausbau der Geschlechtergleichstellung aufgebaut werden. Diese Ziele werden durch verschiedene Aktionen verfolgt, beispielsweise die Initiative Humorarium. „Die Projektpartner arbeiten derzeit an einer Aktion, bei der Humor als Mittel zur Überwindung von Gegenwehr eingesetzt wird“, erklärt Silvestre, die Projektkoordinatorin. „Warum nicht sexistische ‚Witze‘ mit feministischem Humor kontern?“ Die Initiative ist noch in Arbeit und wird zeigen, wie feministische Kunst und Humor ein mächtiges Mittel sein können, um verschiedene Personenkreise anzusprechen und Gleichstellung auf leichte und wirksame Weise zu fördern. GEARING ROLES startete auch eine Twitter-Kampagne mit dem Hashtag #COUNTERIT. Außerdem nutzte das Team Netzwerke sozialer Medien, um das Bewusstsein für geschlechtsspezifische Probleme in der Forschung und Innovation zu schärfen und Erfahrungen und Wissen auszutauschen. Weitere innovative Initiativen sind ein Brettspiel namens Nobel Run, bei dem die Spielenden ein Forschungsteam leiten und um einen Nobelpreis kämpfen, sowie das Betreuungsprogramm namens FELISE.
Nachhaltige Veränderung erreichen
„In der Hochschulbildung ist die Gleichstellung der Geschlechter noch lange nicht erreicht”, sagt Silvestre. „Doch GEARING ROLES hat bereits viel bewirkt und wird im Laufe des nächsten Jahres daran anknüpfen.“ Die sechs ausgearbeiteten Gleichstellungspläne wurden zum Beispiel genehmigt. „Das bedeutet, dass sechs Hochschuleinrichtungen die Bedeutung und Notwendigkeit von Bemühungen für die Geschlechtergleichstellung verstanden und angenommen haben“, merkt sie an. „Dank der Umsetzung dieser Gleichstellungspläne können nun Fortschritte in wesentlichen Bereichen wie dem beruflichen Vorankommen, dem Einkommensgefälle, der weibliche Repräsentation, sexueller Belästigung und der breiten Annahme des sozialen Geschlechts in der Forschung und Lehre erreicht werden.“ Es wurden mehrere Schulungen zur Leitung in der Forschung angeboten. Über das Betreuungsprogramm FELISE und auch durch bestimmte Workshops zur Entwicklung von Berufsentwicklungsplänen hofft das Projekt, mehr als 100 Forscherinnen direkt einzubinden. „Wir hoffen, dass dieses Projekt zur Veränderung von Geschlechterrollen und somit auch zu den Bemühungen für die Gleichstellung der Geschlechter in der Hochschulbildung in Europa beitragen kann“, sagt Silvestre. „Hoffentlich dient es als Vorbild für andere Einrichtungen und kann damit zu strukturellen Veränderungen in Forschungs- und Innovationseinrichtungen beitragen.“
Schlüsselbegriffe
GEARING ROLES, soziales Geschlecht, Frauen, Graduierte, Wissenschaft, Forschung und Innovation, MINT, Promotion, Gleichstellungsplan