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Inhalt archiviert am 2024-04-19

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Weltgletscher schmelzen in diesem Jahrhundert schneller

Forschende analysierten anhand von Satellitendaten aus 20 Jahren, wie schnell Gletscher weltweit schrumpfen. Das Ergebnis ist die bislang genaueste und umfassendste Einschätzung zur Situation der Gletscher auf der Welt.

Klimawandel und Umwelt icon Klimawandel und Umwelt

Die Eisschilde der Antarktis und Grönlands sind zwar die größten Eismassen der Welt, aber sie sind nicht die einzigen Gletscher, die schmelzen und dadurch Auswirkungen auf das Leben auf unserem Planeten haben. Auch auf fast allen anderen Kontinenten der Erde schrumpfen die Gletscher rasant und spielen eine entscheidende Rolle beim Anstieg des Meeresspiegels und der Zunahme von Naturgefahren. „Gletscher befinden sich in der Regel vergleichsweise nahe an den Orten, an denen Menschen leben. Das heißt, dass ihre Veränderungen Menschen ganz direkt betreffen“, sagt Gletscherspezialist Prof. Andreas Kääb von der Universität Oslo in einem Interview, das dem EU-Forschungs- und Innovationsmagazin „Horizon“ gewährt wurde. Damit wir uns in Zukunft besser an die Auswirkungen des Klimawandels anpassen können, brauchen wir jedoch ein viel präziseres Bild davon, wie sich die Gletscher weltweit verändern. Mit Hilfe des EU-finanzierten Projekts ICEMASS (Global Glacier Mass Continuity) konnten Prof. Kääb und sein Forschungsteam die Veränderungen an 99,9 % der Gletscher weltweit messen und analysieren. Unter Verwendung historischer NASA-Satellitendaten und neuer statistischer Methoden zur Erstellung von 3D-Topographien, die 20 Jahre zurückreichen, waren sie in der Lage, die genaueste und umfassendste Bestandsaufnahme der 217 175 inventarisierten Gletscher der Welt zu erstellen. Ihre Forschungsergebnisse wurden in der Zeitschrift „Nature“ veröffentlicht. Laut der Studie schmelzen die Gletscher schneller als bisher angenommen. Von 2000 bis 2019 verloren sie rund 267 Milliarden Tonnen Eis pro Jahr, ein Massenverlust, der 47 % größer ist als der des grönländischen Eisschildes und mehr als doppelt so groß wie der des antarktischen Eisschildes. Geht man davon aus, dass das gesamte Schmelzwasser in den Ozean gelangt, so entspricht dies etwa 21 % des beobachteten Meeresspiegelanstiegs. Noch beunruhigender ist die Tatsache, dass die Beschleunigung des Eisverlustes auf etwa 48 Milliarden Tonnen pro Jahr und Jahrzehnt geschätzt wurde.

Einige legten zu, doch die meisten schrumpften

„Wir stellten in fast allen untersuchten Regionen einen Massenverlust der Gletscher fest. Unerwartet große Verluste konnten wir in der europäischen Arktis, auf Svalbard, messen. Der enorme Rückgang des Meereseises in diesem Bereich der Arktis führt zu einem Anstieg der Lufttemperaturen, der etwa doppelt so hoch ist wie im weltweiten Durchschnitt. Das Ergebnis sind wesentlich höhere Gletscherschmelzraten, als man so weit im Norden erwarten würde. Hinzu kommt, dass etwa die Hälfte des Massenverlustes der Gletscher nicht aus der direkten Gletscherschmelze stammt, sondern von Gletschern, deren Eisfluss und somit deren Eisabfluss in den Ozean stark zugenommen hat“, merkt Prof. Kääb weiter an. Prof. Kääb und sein Team entdeckten aber außerdem „überraschend geringe und unter dem globalen Durchschnitt liegende Veränderungen der Gletschermasse in Teilen Zentralasiens, im Karakorum, im Pamir sowie in westlichen Teilen von Tibet. In einer Region wachsen die Gletscher sogar ein wenig. Indem wir auch Veränderungen von Seen ohne direkten Flussabfluss aufgezeichnet haben, konnten wir nachweisen, dass die Region in den letzten Jahren mehr Niederschlag erhalten hat, was die Seen sowie die Gletscher hat anwachsen lassen, obwohl gleichzeitig die Lufttemperaturen gestiegen sind.“ Für Prof. Kääb, der die Leitung des inzwischen abgeschlossenen ICEMASS-Projekts innehatte, war die wichtigste Forschungsleistung die Erfassung von Daten über Volumenänderungen von Gletschern in vielen Gebieten, über die bislang nur wenig bekannt war. „Es gab eine Menge unterschiedlicher Zahlen für diese schmelzenden Gletscher – einige widersprachen einander sogar massiv – von sehr geringen Veränderungen bis hin zu enormen Veränderungen. Und wir konnten diese Unklarheiten (wirklich) verringern.“ Weitere Informationen: ICEMASS-Projekt

Schlüsselbegriffe

ICEMASS, Eis, Gletscher, Massenverlust, Schmelzwasser, Eisschild, Meeresspiegelanstieg

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