Selbst bei optimistischen Emissionsszenarien könnte der Meeresspiegel noch bis 2300 steigen
Wissenschaftler warnen seit langem davor, dass der Anstieg des Meeresspiegels eine der schwerwiegendsten Folgen des menschlich verursachten Klimawandels darstellen würde – und bereits heute sind die ersten Auswirkungen zu beobachten. Die höheren Temperaturen, die durch unsere Emissionen von Treibhausgasen (THG) bedingt werden, führen dazu, dass das Volumen des Meerwassers zunimmt und dass Berggletscher, Eiskappen und Eisschilde schmelzen. Noch besorgniserregender ist jedoch, dass das wahre Ausmaß der Folgen unserer heutigen Emissionen wohl erst in Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden zu spüren sein wird. Es existieren zwar zahlreiche Studien, die einen Anstieg des Meeresspiegels in den nächsten Jahrhunderten und darüber hinaus vorhersagen. Doch die Frage, wie sich das Erreichen der Ziele aus dem Pariser Übereinkommen von 2015 auf den Meeresspiegel der Zukunft auswirken würde, wurde bislang noch nicht untersucht. Mit dieser wissenschaftlichen Wissenslücke hat sich ein internationales Team von Forschern beschäftigt, darunter auch ein im Rahmen der Projekte CD-LINKS und CRESCENDO mit Fördermitteln der Europäischen Union (EU) unterstützter Wissenschaftler. Ihre Ergebnisse, die in „Europa PMC“ veröffentlicht wurden, veranschaulichen, wie die Vorgaben des Pariser Übereinkommens den Anstieg des Meeresspiegels bis 2300 beeinflussen werden. Um den globalen Temperaturanstieg auf weniger als 2 °C oder – idealerweise – 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, fordert das Pariser Abkommen von den Unterzeichnerländern, so bald wie möglich den Scheitelpunkt der THG-Emissionen zu erreichen. Im Anschluss daran sollten die Emissionen so weit reduziert werden, dass ein Gleichgewicht zwischen den vom Menschen verursachten THG-Emissionen und den durch Bäume, Boden und Ozeane natürlich aufgenommenen THG-Mengen hergestellt wird. Dieses Ziel der sogenannten Netto-Null-THG-Emissionen wird für den Zeitraum 2050 bis 2100 angestrebt. Das Projektteam untersuchte verschiedene Szenarien. Die Forscher verglichen, wie sich Netto-Null-THG-Emissionen gegenüber Netto-Null-CO2-Emissionen (d. h. ohne andere THG wie Methan und Distickstoffoxid) auf den Meeresspiegel der Zukunft auswirken würden. Zur Abschätzung des Meeresspiegelanstiegs ging man von einer jährlichen Emissionsminderung von jeweils 0,3 Gigatonnen, 0,5 Gigatonnen und 0,7 Gigatonnen CO2 nach dem Erreichen des Scheitelpunkts aus. Wie stark wird der weltweite Meeresspiegel ansteigen? Je nachdem, wie schnell wir damit beginnen, die Emissionen noch in diesem Jahrhundert zu senken, müssen wir laut den Forschern bis 2300 mit einem Meeresspiegelanstieg zwischen 0,7 m und 1,2 m rechnen. Dies setzt jedoch voraus, dass wir die Netto-Null-Treibhausgasemissionen bis dahin trotz eines Rückgangs der globalen Temperaturen aufrechterhalten können. Noch alarmierender ist die Aussicht, wenn in diesem Zeitraum nur CO2-Emissionen ausgeglichen werden: der erwartete Meeresspiegelanstieg liegt dann bei 1,1 m bis 1,6 m. Mit jedem 5-Jahres-Zeitraum, um den sich das Erreichen des Scheitelpunkts der globalen Emissionen verzögert, erhöht sich der Meeresspiegel bis 2300 um weitere 20 cm. Die Dringlichkeit, sofort zu handeln, zeigt sich hier umso deutlicher. Weitere Schätzungen ergaben außerdem, dass die Stabilisierung des globalen Temperaturanstiegs auf unter 2 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau allein nicht ausreicht, um den Meeresspiegelanstieg unter 1,5 m zu halten, wenn ausschließlich die CO2-Emissionen gesenkt werden. Wenn die Temperaturen um mehr als 1,5 °C steigen, lässt sich der Meeresspiegelanstieg bis 2300 sogar in keinem Szenario mit Netto-Null-CO2-Emissionen auf unter 1,2 m begrenzen. Optimistischer ist hingegen das Szenario bei Netto-Null-THG-Emissionen: In jedem 10-Jahres-Zeitraum, in dem der Temperaturanstieg mehr als 1,5 °C beträgt, steigt der Meeresspiegel im Durchschnitt nur um jeweils 4 cm. Es ist daher offensichtlich, dass wir den Meeresspiegelanstieg nur dann auf ein Minimum begrenzen können, wenn der Scheitelpunkt frühzeitig erreicht wird und im Anschluss daran konsequente Emissionsminderungen folgen. Jede Verzögerung bedeutet umso schwerwiegendere Folgen für zukünftige Generationen. Die beiden Projekte CD-LINKS (Linking Climate and Development Policies – Leveraging International Networks and Knowledge Sharing) und CRESCENDO (Coordinated Research in Earth Systems and Climate: Experiments, kNowledge, Dissemination and Outreach) werden auf ihren bisherigen Erkenntnissen aufbauen, um auch weiterhin zu fundierten politischen Entscheidungen zur Milderung des Klimawandels beizutragen. Weitere Informationen: CD-LINKS-Projektwebsite CRESCENDO-Projektwebsite
Länder
Österreich, Vereinigtes Königreich