Stadterneuerung profitiert von inklusiveren Mitgestaltungsstrategien in der Gemeinschaft
Der Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 führte zu einem Investitionsstau im Bereich der Stadterneuerung und Kürzungen bei den Sozialleistungen, von denen benachteiligte Viertel am stärksten betroffen waren. Top-down-Revitalisierungsstrategien haben die bestehenden Trends oftmals verschlimmert. Manche Viertel haben eine erhöhte Gentrifizierung erlebt, während andere – die oftmals ein hohes Maß an Einwanderung und Arbeitslosigkeit aufweisen – unter Armut und sozialer Exklusion leiden. Die Forschung beleuchtete die Wichtigkeit des lokalen Kontexts, den Zugang zu erschwinglichem Wohnraum und den demokratischen Einfluss auf Planungsentscheidungen bei Betrachtung der maßgeblichen Gründe für diese Prozesse. Im Bewusstsein der Grenzen herkömmlicher (Top-down-)Revitalisierungsstrategien für Stadtviertel erforschte das Projekt NEIGHBOURHOODCHANGE nun Bottom-up-Ansätze. Das Projekt, das durch die Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen unterstützt wurde, beobachtete inklusive Bürgerbeteiligungsstrategien, die in Planungsprozessen für die Stadterneuerung Anwendung finden. Hierzu wurde die Aktionsforschung als Untersuchungsmethode genutzt. „Änderungen von Stadtvierteln lassen sich nicht alleine anhand von Planungsdokumenten verstehen, man muss auch immaterielle Einflüsse einbeziehen – etwa die Planungskultur oder die Haltung der Interessengruppen“, erklärt Laura Fregolent, die an der Università Iuav di Venezia forscht und die Marie-Curie-Stipendiatin wissenschaftlich betreut. NEIGHBOURHOODCHANGE hat lokale Behörden wieder in das Zentrum der Debatte um soziale Innovationen gerückt und ruft zu flexibleren und transparenteren Planungssystemen auf, die einer Zusammenarbeit zwischen von der Gemeinschaft geleiteten Initiativen und öffentlichen Verwaltungsstellen offen gegenüberstehen.
„Bottom-link“-Governance
Viele europäische öffentlich-rechtliche Einrichtungen haben Möglichkeiten zur Einbeziehung von Gemeinschaften in Stadtplanungslösungen untersucht, da sie im Anschluss an die sparmaßnahmenbedingten Ausgabenkürzungen mehr Transparenz anstreben. Doch während gemeinschaftsbasierte Initiativen eine größere Vielfalt an Kompetenzen und Erfahrung aufweisen als die üblichen „Sachverständigen“, sind die gefährdetsten Gruppen, insbesondere arme Menschen und ethnische Minderheiten, mit Hindernissen konfrontiert, was die Beteiligung anbelangt. NEIGHBOURHOODCHANGE erforschte die Möglichkeiten der sogenannten „Bottom-link“-Governance, die Gemeinschaften in flexibler Weise, die je nach örtlicher Kapazität nach oben oder nach unten skaliert werden kann, mit ihrer lokalen Verwaltung verbindet. „Hier werden soziale Innovationen zu einem überaus kontextuellen sozialen und politischen Prozess, der die Verhältnisse zwischen den verschiedenen Interessengruppen verändert, die an der politischen Gestaltung beteiligt sind“, sagt Fregolent. Die Feldforschung des Projekts wurde zwischen Februar 2018 und Mai 2019 in Parkdale, Toronto, durchgeführt. Die Arbeit vor Ort umfasste die Auswertungen politischer Dokumente, die Beobachtung wichtiger urbaner Flächen und Planungssitzungen durch Teilnehmende sowie ausführliche Interviews mit wichtigen Interessengruppen, darunter gemeinschaftsnahe Personen, politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger sowie Politikerinnen und Politiker. Durch Ermittlung der Umstände, unter denen gemeinschaftsbasierte Initiativen positive urbane Ergebnisse erzielen können, hob das Projekt die Wichtigkeit abgestimmter Bottom-up-Infrastrukturen hervor, die mit einer transparenten Entscheidungsfindung verbunden sind. „Unsere Ergebnisse liefern verschiedene Erkenntnisse zur Implementierung flexiblerer Planungsmechanismen auf Ebene der Gemeinschaften wie auch der Institutionen, um die Beteiligung von Gemeinschaften zu maximieren und Veränderungen in der Funktionsweise öffentlich-rechtlicher Einrichtungen zu fördern“, merkt Marie-Curie-Stipendiatin Elena Ostanel an. Die Parkdale People’s Economy in Toronto ist eine von Bürgerinnen und Bürgern geleitete soziale Initiative, die bei Themen wie der langfristigen Erschwinglichkeit von Wohngebäuden für mehrere Mietparteien erfolgreich Einfluss auf die Entscheidungsfindung der lokalen Behörde genommen hat und 1,5 Millionen USD für ein Pilotprojekt sicherte. Die Initiative wirkte ebenfalls an der Schaffung einer inklusiven Bebauungspolitik mit, die vorsieht, dass bei neuen Wohngebieten Haushalte mit verschiedenen Einkommen in die Planung einbezogen werden. Die Ergebnisse von NEIGHBOURHOODCHANGE werden im Rahmen von Projekt SOLIVID eingehender untersucht, das eine kooperative Karte und Online-Ressource zu den in Reaktion auf COVID-19 eingerichteten Solidaritätsinitiativen entwickelt.
Schlüsselbegriffe
NEIGHBOURHOODCHANGE, Stadterneuerung, Gentrifizierung, Gemeinschaft, soziale Initiative, Armut, Austerität, Aktionsforschung, Bürgerinnen und Bürger, COVID-19