Fisch im Überfluss?
Die Entwicklung der weltweiten Fischbestände vorauszusagen, ist keine leichte Aufgabe. Mathematische Modelle zur Abbildung der Entwicklungen im Meer brauchen eine Grundlage von sorgfältig zusammengestellten Daten aus wissenschaftlichen Erhebungen. „In unserem Fachbereich, der Ökologie, sagen wir nicht voraus, wie viel Fisch künftig gefangen wird, sondern wie sich die Fischbestände im Laufe der Zeit verändern“, erklärt Joël Durant, Projektkoordinator von SPITFIRE und leitender Wissenschaftler am Forschungszentrum Centre for Ecological and Evolutionary Synthesis der norwegischen Universität Oslo. „Diese Prognosen werden Regierungen als Empfehlungen an die Hand gegeben und fließen in die Verhandlungen von Fangkontingenten ein, die festlegen, wie viel Fisch entnommen werden darf.“ Diese Informationen sind daher für die Nachhaltigkeit von Meeresökosystemen essenziell und können großen Einfluss auf die zukünftigen Einsätze von Fischereiflotten haben. In letzter Zeit stand verstärkt im Mittelpunkt, einen ökosystemorientierten Ansatz für die Bestandsbewirtschaftung zu finden. Dabei müssen auch alle anderen Organismen berücksichtigt werden, die in dieser Umwelt leben, nicht nur die spezifischen Fischbestände. Verhältnisse zwischen Raub- und Beutetieren spielen beispielsweise eine wichtige Rolle, um Populationstrends nachvollziehen zu können. Um zu erklären, warum Fischbestände manchmal keine Nachkommen haben, waren Zeitpunkte verschiedener saisonaler Aktivitäten, wie das Laichen, bei einer Vielzahl von Arten einschließlich Raub- und Beutetieren untersucht worden. Daraus hatte sich die sogenannte match/mismatch-Hypothese ergeben.
Die match/mismatch-Hypothese
Im Projekt SPITFIRE, das mit Unterstützung der Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen durchgeführt wurde, sollte die match/mismatch-Hypothese in ein Modell umgemünzt werden, mit dem sich genauere Vorhersagen zu einigen kommerziell befischten Fischpopulationen treffen lassen. Außerdem ging es darum, Veränderungen in der Temperatur der Meeresoberfläche mit der Dynamik zwischen Raub- und Beutetieren in Verbindung zu bringen. „Im ersten Schritt mussten wir Unmengen an Daten sammeln“, so Durant. „Für eine effektive Messung brauchten wir Daten über viele Jahre, sogar Jahrzehnte hinweg und das nicht nur für Jungfische, sondern auch für Beutetiere und weitere Arten. Diese Arbeiten, an denen auch die Marie Skłodowska-Curie-Stipendiatin Sofia A. Ferreira beteiligt war, forderten viel Zeit, Forschung und Diskussionen.“ Zuerst wurden Daten aus der Barentssee in Norwegen analysiert und in ein mathematisches Modell gespeist, das Durant vorab entwickelt hatte. „Erst dann konnten wir die Aussagekraft der match/mismatch-Hypothese wirklich testen und bewerten“, ergänzt er. „Unsere Ergebnisse wurden veröffentlicht und anschließend konnten wir Daten aus anderen Meeressystemen in unser Modell einfließen lassen.“
Eine riesige globale Datenbank
Ein zentrales Ergebnis von SPITFIRE ist eine riesige Datenbank, die Regionen weltweit und große Zeiträume abdeckt. Die Daten stammten aus Atlantik und Pazifik sowie dem norwegischen System um die Barentssee, der Nordsee und dem Sankt-Lorenz-Golf. Auf dieser Grundlage konnten Durant und Ferreira das belastbare Messsystem für Raub- und Beutetiere erarbeiten, das sie brauchten. „Jetzt kann die gesamte Wissenschaftsgemeinschaft darauf zugreifen“, so Durant. „Mit der Verknüpfung von Oberflächentemperaturen und der Dynamik zwischen Raubtier und Beute konnten wir zeigen, wie stark sich der Klimawandel auf marine Ökosysteme auswirkt. Wir hoffen, dass dadurch jetzt eher ökosystembasierte Ansätze für die Bestandsbewirtschaftung zum Einsatz kommen und sich so auch der Umgang mit Fischbeständen und der biologischen Vielfalt im Meer verbessern wird.“ Durch den Erfolg des Projekts konnte Ferreira zudem eine Forschungsstelle am Centre for Ecological and Evolutionary Synthesis antreten. So wird sie mit dafür sorgen können, dass die Erkenntnisse aus dem Projekt SPITFIRE für weitere Forschungsarbeiten genutzt werden.
Schlüsselbegriffe
SPITFIRE, Fisch, Fische, Fischerei, marin, Meer, Ökosystem, Raubtier, Beute, biologische Vielfalt, Biodiversität