Was durstige Ratten über unsere mentale Selbstkorrektur verraten
Vor fünfzehn Jahren entdeckte die Neurowissenschaft im Gehirn von Menschen, die kurz davor waren, einen Fehler zu begehen, ein charakteristisches 6-Hz-Signal. Obwohl es bis zum mittleren frontalen Cortex, einem Hirnareal direkt hinter der Stirn, zurückverfolgt werden konnte, war nicht klar, welche Nervenbahnen für das Signal verantwortlich waren. Das EU-finanzierte Projekt MidFrontalTheta2.0 sollte nun Licht in dieses schlecht erforschte Muster der Hirnaktivität bringen. „Wenn man kurz davor steht, einen Fehler zu begehen, zum Beispiel, wenn man beim Tippen die falsche Taste drückt, ist ein sehr spezifisches Muster der elektrischen Aktivität zu beobachten, das wir messen können“, erklärt Projektkoordinator Michael X. Cohen. „Irgendwie hat mich das immer mehr gestört. So eine coole Erkenntnis und wir wussten einfach nicht, was sie bedeutet.“
Blicke ins Gehirn
Das Signal war mit Elektroenzephalografie (EEG) gemessen worden, bei der mit einer Anordnung von auf der Kopfoberfläche angebrachten Elektroden die elektrische Aktivität im Gehirn gemessen wird. Der Elektroenzephalograph kommt in den kognitiven Neurowissenschaften ausgiebig zum Einsatz, kann jedoch nur eine allgemeine Vorstellung der Hirnaktivität vermitteln. „Wir können diesen Ort abschätzen, aber das ist nicht sehr befriedigend. Es ist ungefähr so, als ob man fragt, wie ein Auto funktioniert, und es wird auf die Vorderseite des Autos gezeigt und gesagt: ‚Es fährt dank seinem Motor‘“, erklärt Cohen. Um mehr über das Signal zu erfahren, beschlossen Cohen und sein Team, an Tiermodellen zu arbeiten, bei denen sich Möglichkeiten zur Aufzeichnung und Manipulation der Hirnaktivität bieten, die beim Menschen unmöglich sind. An der Radboud-Universität in Nijmegen, Niederlande wurden Ratten darauf trainiert, eine Aufgabe zu lösen, um Wasser zu bekommen. Dabei mussten sie sich nach links bewegen, wenn sie einen hohen Ton hören, und nach rechts, wenn sie einen tiefen Ton hören. Implantierte Elektroden zeichneten gleichzeitig den mittleren frontalen Cortex und andere Regionen in den Gehirnen der Ratten auf.
Der Lärm der Menge
Mithilfe dieser Ausrüstung konnte das Team feinkörnige Details in Zellpopulationen und vernetzten Nervenbahnen sehen, die beim Menschen nicht zugänglich sind. „Wenn wir das Gesamtsignal im EEG sehen, sagt es uns nicht, wie viele Dinge im Gehirn gleichzeitig stattfinden“, fügt Cohen hinzu. „Es ist, als verfolgte man eine sportliche Veranstaltung, indem man nur dem Lärm der Menge zuhört. Es ist einigermaßen aussagekräftig, aber die einzelnen Personen in dieser Menge jubeln aus völlig verschiedenen Gründen.“ Cohen und sein Team konnten unter Einsatz der implantierten Sonden und verbesserter Datenanalyseverfahren erkennen, dass das Signal auf mehreren Bahnen im Gehirn erzeugt wurde, die alle die gleiche spektrale Signatur aufwiesen. Was im EEG wie ein einziges Signal aussah, waren in Wirklichkeit mehrere synchrone Verschaltungen.
Ein hohes Risiko
Das Projekt wurde durch den Europäischen Forschungsrat unterstützt. „Diese Arbeit wäre ohne den ERC unmöglich gewesen“, bekräftigt Cohen. „Sie ist wahrscheinlich das größte Einzelrisiko, das ich jemals in meiner Karriere eingegangen bin.“ Cohen schreibt den Erfolg des Projekts seinem Team aus im Rahmen von Doktorat und Promotion Forschenden zu. Als nächstes plant das Team, die in den letzten fünf Jahren gesammelten Daten durchzuarbeiten. „Es war uns nicht möglich, all diese Daten im Zeitrahmen der Finanzierung zu durchschauen“, sagt Cohen. „Wir werden wohl noch die nächsten zwei Jahre damit verbringen, alle Daten durchzugehen und alles zu veröffentlichen.“ Außerdem fügt er hinzu, dass auch die in den Tierversuchen gewonnenen Daten veröffentlicht werden.
Schlüsselbegriffe
MidFrontalTheta2.0, Gehirn, EEG, Fehler, frontal, mittlerer, Cortex, Elektroden, Ratten