Sind endlich Impfstoffe gegen HIV in Aussicht?
35 Jahre aktiver Forschung und ein Durchbruch. Als im Jahr 2009 die Ergebnisse der RV144-Studie veröffentlicht wurden, bekam die Forschungswelt auf ihrer Suche nach einem wirksamen HIV-Impfstoff einen ersten Eindruck davon, wie der lang ersehnte Sieg über die Erkrankung aussehen könnte. In der Studie, die in Thailand durchgeführt worden war, hatten schließlich 31 % der Probandinnen und Probanden ein leicht geringeres Risiko für eine HIV-Infektion. Noch elf Jahre später greifen Forschende auf die Erkenntnisse und Prioritäten zurück, die in der RV144-Studie erarbeitet worden waren. Darunter ist auch EHVA (European HIV Vaccine Alliance: an EU platform for the discovery and evaluation of novel prophylactic and therapeutic vaccine candidates), eine europäische Plattform zur Entdeckung und Evaluierung neuer prophylaktischer und therapeutischer Impfstoffkandidaten. Seit 2016 arbeitet das Konsortium aus 41 Mitgliedern an der Entwicklung von HIV-Impfstoffkandidaten, die länger anhaltende und wirksamere Immunantworten hervorrufen können. „Bei der Entwicklung von HIV-Impfstoffen steht man vor allem vor der Herausforderung, neue Impfstoffe schon früh in der Produktentwicklungsphase schnell evaluieren zu müssen. Nur wenn das möglich ist, können die vielversprechendsten Kandidaten in die großmaßstäbliche Erprobung überführt werden“, sagt Yves Levy, Koordinator des Projekts EHVA bei der französischen Forschungs- und Entwicklungseinrichtung Inserm. Darum arbeitet EHVA gerade an einer Plattform für Immunprofilierung. Mit diesem Instrument will das Konsortium neue und bestehende Impfstoffkandidaten in einer Rangfolge ordnen. Gekoppelt wird die Plattform mit einer zentralen Datenanalyseplattform, die mit statistischen Methoden und Algorithmen die vielversprechendsten Kandidaten auswählen soll. Levy zufolge können die EHVA-Teams mit Hilfe dieser Instrumente die besten Antigene und Abgabesysteme der jeweiligen Klasse finden, einschließlich RNA und Virusvektoren. „Im direkten Vergleich mit den Impfschemata, die unsere Partner in der EHVA bereits entwickelt haben, können wir dann diese neuen Kandidaten evaluieren und unsere Auswahl mit den vielversprechendsten der Rangliste beginnen, die wir hernach auch klinisch testen. Die EHVA will parallel dazu therapeutische Impfstoffkandidaten entwickeln sowie die Mechanismen für eine funktionelle Heilung mit erforschen.“
Klinische Studien
Im fünften Jahr ihrer Forschungsarbeiten kann die EHVA bereits eine erfolgreiche Entwicklung mehrerer neuer Impfstoffkonzepte verzeichnen. Dazu gehören vektorbasierte Impfstoffe, eine neue Darreichungsvariante und Impfstoffe auf Basis der Trimere in den Hüllproteinen des HI-Virus. „Bei den vektorbasierten Impfstoffen sind die zwei aussichtsreichsten Kandidaten ein DREP-Impfstoff (auf Basis von RNA-Replikonen mit DNA-Auslöser) und ein VSV-GP-Impfstoff“, erklärt Levy. Der DREP-Impfstoff wird Ende 2020 bzw. Anfang 2021 in ersten klinischen Studien am Menschen eingesetzt. „Der VSV-GP-Impfstoff hat wiederum in Studien mit nichtmenschlichen Primaten vielversprechende Ergebnisse gezeigt. Aber wir werden ihn wohl nicht innerhalb der Laufzeit des EHVA-Projekts in die klinische Entwicklung bringen können.“ Die neue Darreichungsvariante ist ein Impfstoff, der an dendritischen Zellen ansetzt. Er wurde vom Impfstoffforschungsinstitut des Inserm entwickelt. Phase-I-Studien an gesunden Probandinnen und Probanden sollen noch dieses Jahr in Frankreich und der Schweiz beginnen. Zwei Trimerantigene der Gruppe C (ConCv5-KIKO und das an der Keimbahn ansetzende komplementäre Trimer ConCv5_GTv1) gehören schließlich zu den in Frage kommenden Trimerimpstoffen. Sie sollen kombiniert werden, um eine Produktion von breit neutralisierenden Antikörperreaktionen gegen anti-CD4-BS auszulösen und gleichzeitig die Reifung von B-Zellen durch sequenzielle Immunisierung mit verschiedenen Hüllproteinen des HI-Virus zu ermöglichen. Für 2021 ist eine Phase-I-Studie dazu geplant. „Das ist aber noch nicht alles“, so Levy. „Wir haben auch ein neues Therapieschema, in dem ein Impfstoffkandidat mit einer immunmodulatorischen Therapie kombiniert wird. Schon in den kommenden Monaten soll es in die klinische Evaluierung an Patientinnen und Patienten mit HIV-Infektion überführt werden. Auch einige weitere Impfstoffkandidaten kommen in der präklinischen Entwicklung voran.“ Bis zum Ende der Projektlaufzeit möchte das Konsortium vier klinische Studien abgeschlossen haben. Währenddessen wird EHVA zweifelsohne zu einer schnelleren Impfstoffentwicklung beitragen und gleichzeitig Kosteneinsparungen ermöglichen. Levy meint sogar, dass die Impfstofftechnologien und die entsprechende Expertise aus den Arbeiten von EHVA auch für die Entwicklung von Impfstoffen gegen andere Erkrankungen – wie COVID-19 – hilfreich sein könnten.
Schlüsselbegriffe
EHVA, HIV, Impfstoff, Immunprofilierung, Datenanalyse, klinische Studie