Keine Verschwendung, sondern großer Nutzen: Industrielle Wärmeenergie wiederverwenden oder mit Gewinn verkaufen
2018 entfielen 37 % des gesamten globalen Energieendverbrauchs und 24 % der globalen Emissionen auf den Industriesektor. 20 bis 50 % der in industriellen Prozessen eingesetzten Energie gehen in Form von heißen Abgasen, Kühlwasser und Wärmeverlusten in Anlagen und von Produkten verloren. Das EU-finanzierte Projekt SUSPIRE hat diese großartige Möglichkeit der Abwärmerückgewinnung und -nutzung ergriffen, um den Gesamtenergieverbrauch und die Emissionen zu reduzieren sowie dabei gleichzeitig die Chance zu bieten, überschüssige Energie zu verkaufen.
Den Weg bahnen
Wärmeträgerflüssigkeiten und Phasenwechselmaterialien sind wesentlicher Bestandteil vieler Wärmemanagementsysteme. Wärmeträgerflüssigkeiten übertragen in Wärmetauschern die Wärme zwischen Werkstoffen und Prozessen. Phasenwechselmaterialien fungieren als reversible Wärmespeichersysteme, die bei Phasenübergängen, etwa dem Schmelzen eines Eiswürfels oder dem Gefrieren von Wasser, Wärme aufnehmen oder abgeben. Fernando Santos von Azterlan, technischer Projektkoordinator von SUSPIRE, sagt dazu: „Auch wenn Wärmeträgerflüssigkeiten und Phasenwechselmaterialien bereits eine wichtige Rolle in Solarkraftwerken gespielt haben, wurden sie vor SUSPIRE noch nicht zur Gewinnung, Übertragung und Sammlung von Restenergie in industriellen Prozessanlagen genutzt.“
Eine Kaskade der Energieeffizienz
SUSPIRE hat neuartige hocheffiziente Wärmetauscher in Kombination mit innovativen Phasenwechselmaterialien entwickelt sowie diese in ein System zur längerfristigen Speicherung und Wiederverwendung oder Kommerzialisierung integriert. Ein auf Silizium basierendes (anorganisches) Phasenwechselmaterial speichert Wärme aus Abgasen mit Temperaturen von über 500 °C, um diese für andere energieintensive Prozesse in derselben Anlage zu nutzen. Ein organisches Phasenwechselmaterial im Wärmetauscher, durch den der Dampf aus einem industriellen Hochtemperatur-Autoklaven (Boilerclave®) strömt, übernimmt die Rückführung der Wärme in den Boilerclave®, um noch mehr Dampf zu erzeugen. SUSPIRE nutzte auch die Bohrlochwärmespeicherung, wobei hier das Erdreich selbst als Speichermaterial dient. Laut Santos „nutzte SUSPIRE Bohrlochwärmespeicher, um jahreszeitlich bedingt Wärme aus den Kühlsystemen der Anlage und überschüssige Wärme aus den SUSPIRE-Energierückgewinnungssystemen anzusammeln. Diese Wärme kann je nach Bedarf zur Raumklimatisierung und Büroheizung eingesetzt werden. Außerdem kann sie kommerzialisiert und zu Heizzwecken an Dritte verkauft werden.“ Zu guter Letzt entwickelte SUSPIRE eine maßgeschneiderte Software zur Ermittlung kritischer Variablen und Anpassung von Prozessparametern, um den auf die Erzeugung von Ausschuss zurückzuführenden Energieverbrauch zu reduzieren.
Davon profitieren alle
Die Lösungen wurden in einem Feingussunternehmen erprobt. Zu den Prozessschritten zählten der Wachsformenbau, Schalenbau, das Entwachsen, Brennen, Schmelzen und Gießen. Auch Büroräume wurden beheizt und gekühlt. Die insgesamt erreichten Energieeinsparungen beliefen sich auf ungefähr 16 % und wurden als eine Kombination aus reduziertem Energieverbrauch und einem zum Verkauf an Dritte zur Verfügung stehenden Überschuss realisiert. Eine Ökobilanz prognostizierte um 22 % reduzierte CO2-Emissionen durch Kaskadeneffekte dieser Technologien. Der Projektpartner TELUR (Website auf Spanisch) verhandelt aktuell über den Verkauf von überschüssiger Wärmeenergie zur Versorgung eines lokalen Sportzentrums, das seinen Erdgasbedarf auf diese Weise um die Hälfte reduzieren könnte. Mehrere Entwicklungen haben den geplanten Technologie-Reifegrad deutlich überschritten, und die kleinen und mittleren Unternehmen befinden sich in verschiedenen Phasen von Verhandlungen sowie der Installation ihrer Technologien bei ihrer Kundschaft. Viele der Entwicklungen können ganz individuell eingesetzt werden und sind nicht auf die Verfahrensindustrie begrenzt. Dank des Geschäftsmodells können Energieversorger in Technologien zur Energierückgewinnung und -speicherung in Industrieanlagen investieren und vom Verkauf an Dritte wie beispielsweise Unternehmen, Sportstadien oder Wohnanlagen profitieren. Auf diese Weise werden Investitionen gefördert, Emissionen verringert und Vorteile für die Gemeinschaft erwirtschaftet. Santos fasst abschließend zusammen: „Mit der Nutzung der Restenergierückgewinnung können Barrieren zwischen Verfahrensindustriezweigen und der Gesellschaft überwunden werden. Ihre Koexistenz wird somit eher zu einer Chance als zu einer Bedrohung.“
Schlüsselbegriffe
SUSPIRE, Energie, Wärme, Emissionen, Industrie, Phasenwechselmaterialien, Speicherung, Abwärme, Abgase, Wärmetauscher, Bohrlochwärmespeicher (Borehole Thermal Energy Storage, BTES), Gießerei, Energieeffizienz, Prozessindustrie, verfahrenstechnische Industrie