Roboter entfernen Asbestfasern aus Gebäuden
Die permanente und vielschichtige Weiterentwicklung der Gesellschaft hat nur die wenigsten Branchen völlig unverändert gelassen. Diese Entwicklung bedeutete für die meisten Sektoren eine immer stärkere Automatisierung. Zumindest für die meisten, aber nicht für alle. Ein unbeugsamer Sektor ist bislang seinen alten Gewohnheiten weitgehend treu geblieben: der Bausektor. In den letzten 200 Jahren wurden immer wieder dieselben sich wiederholenden, genormten und körperlich anstrengenden Aufgaben von den Arbeitskräften auf dem Bau mit ihren eigenen zwei Händen ausgeführt. Nun könnte sich das jedoch bald ändern. Es werden Stimmen laut, die fordern, dass sich der Sektor in Richtung Automatisierung bewegt. Einige haben beschlossen, sich im Rahmen des Projekts Bots2ReC (Robots to Re-Construction) zusammenzuschließen. Die Begründung für Bots2ReC ist einfach: Manche Aufgaben sind eigentlich für Menschen einfach zu gefährlich, und Maschinen könnten sie hier problemlos ersetzen. „Abgesehen von der Exposition erzeugen einige Verfahrensweisen oder die in diesen Prozessen gehandhabten Werkstoffe Gesundheitsgefahren in Form von Staub, Schwingungen, Lärm oder Giftstoffen. Genau bei diesen Aufgaben könnten wir aus einer Automatisierung großen Nutzen ziehen. Und außerdem ihr massives Potenzial in Bezug auf die Realisierung nachhaltiger sozioökologischer Verbesserungen aufzeigen“, erklärt Tobias Haschke, Koordinator des Projekts im Auftrag der RWTH Aachen.
Zugeschnitten auf die Wünsche des Bausektors
Um die gewünschte Automatisierung zu ermöglichen, musste das Projektkonsortium zunächst Hindernisse überwinden, die mit der Beschaffenheit des Bausektors zusammenhängen. Während bei den meisten Industriezweigen in einer definierten Arbeitsumwelt produziert wird, musste die Bauindustrie seit jeher ein sich stetig veränderndes Umfeld mit verschiedensten Regeln und Verfahren meistern. Haschke erläutert dazu: „Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, diesen ständigen Wandel technisch zu beherrschen.“ Die Grundvoraussetzungen dafür, dass Bots2ReC Fahrt aufnehmen konnte, waren die neuesten Entwicklungen der Informatik in Bezug auf Speichersysteme und Sensoren. Sie ermöglichten die Einführung halbautonomer Lösungen mithilfe mobiler Handhabung der komplexen Umgebung. Im Lauf von drei Jahren entwickelte das Projektteam ein Robotersystem, das Asbestsanierungen auf Baustellen durchführen kann. „Der Roboter führt die Asbestentfernung komplett und nicht nur Stück für Stück durch. Aufgrund seiner Fähigkeiten, die er künstlicher Intelligenz verdankt, ist er auch maßgenau an den Einsatz unter realen Bedingungen angepasst“, erklärt Haschke. „Die künstliche Intelligenz kombiniert ein maßgeschneidertes kompaktes Datenformat zur Darstellung der Umgebung mit einem komplexen Planungsmodul. Dadurch kann ein skalierbares System in Bezug auf die Flottengröße angeboten werden und es erfolgt eine automatische Anpassung an die vorliegenden Baupläne.“ Die meisten Bots2ReC-Versuche wurden mit einer Schleifscheibe durchgeführt, um den tatsächlichen Prozess der Asbestentfernung nachzuempfinden. Auf diese Weise konnte das Team besser die komplexen Mechanismen der interagierenden Abläufe verstehen und nachfolgend steuern. Zudem wurde das System auf seine Eignung für den Einsatz in normalen Wohngebäuden untersucht und anhand verschiedener Raum- und Grundrisskonstellationen erprobt. Die Ergebnisse sind vielversprechend: Grundsätzlich sind fast 90 % der Wandflächen eines normalen Wohngebäudes zugänglich. Ein direkter Vergleich mit der Arbeit per Hand steht noch aus und wird nach Ende des Projekts weiterverfolgt.
Die größte Errungenschaft
„Für mich ist unsere größte Errungenschaft der Roboter an sich. Seine Konstruktion und seine Funktionsweise sind auf die Anforderungen des Baugewerbes zugeschnitten, und sein Bemessungsverfahren ist einzigartig. Das zeigt sich in der bearbeitbaren Deckenhöhe von 3 m, die mit einer Armtraglast von 20 kg und einer kontinuierlichen Energieversorgung über das mobile, omnidirektionale Tandemsystem einhergeht“, berichtet Haschke. Das Projekt hat in der Baubranche bereits Aufmerksamkeit erregt, und das sowohl in Hinsicht auf das komplette Robotersystem als auch seine Komponenten. Auch wenn Bots2ReC bereits im November 2019 abgeschlossen wurde, beschäftigt sich das Team seitdem mit Weiterentwicklungen der Schleifprozesse, Planungslogik und Radartechnik. Diese werden bereits nachgefragt und sollten innerhalb der nächsten zwei Jahre kommerzialisiert werden. „Besonders stolz sind wir auf die Produkte, die schon während des Projekts ausgekoppelt wurden und in Form von zwei mobilen Robotern bei Robotnik Automation SLL und verschiedenen verbesserten Radarsensoren bei der indurad GmbH bereits auf dem Markt erhältlich sind“, merkt Haschke an. Mit seinem Schwerpunkt Asbest ist Bots2ReC bestens positioniert, um die zukünftige gesundheitliche Belastung von Arbeitskräften reduzieren zu können. Zweifellos werden die Kosten der Technologie leicht durch ihren hohen Nutzen für die Gesellschaft und ihre wirtschaftliche Effizienz aufgewogen werden können. Das Projekt könnte auf die Entfernung weiterer gefährlicher Produkte wie zum Beispiel bleihaltiger Anstriche angepasst werden.
Schlüsselbegriffe
Bots2ReC, Asbestentfernung, Asbestsanierung, Roboter, Bauwesen, Konstruktion, KI, künstliche Intelligenz