Automatisierung im Bereich der Werkstoffe
In einem neuen E-Book werden Entwicklungen im Bereich der Flüssigkristall-Elastomere dargestellt, die mit Unterstützung des EU-finanzierten Projekts APRA erzielt wurden. Geschrieben wurde das E-Book von Eugene M. Terentjev, einem Professor für Polymerphysik an der Universität Cambridge, dem Projektträger von APRA. Es geht um diese intelligenten Kunststoffe und insbesondere auch darum, wie sie die Automatisierung in den Bereich der Werkstoffe bringen.
Was genau sind Flüssigkristall-Elastomere?
Sie sind ein gummi-artiges Netzwerk von Polymeren, die bei verschiedenen Reizen eine reversible Formveränderung zeigen. In dem E-Book werden sie als „eine neue Materialklasse mit physikalischer Intelligenz“ bezeichnet. Es heißt weiter: „Das sind Kunststoffe, die ihre Umgebung erfassen und auf sie reagieren, Entscheidungen fällen, Probleme analysieren und diagnostizieren, ganz ohne menschliches Eingreifen. Flüssigkristall-Elastomere sind wahrlich das Material der Zukunft.“ Die im Rahmen des APRA-Projekts entwickelten multifunktionalen Polymer-Werkstoffe sind rezyklierbar und zur Wiederaufbereitung geeignet. Eine der einzigartigen Materialeigenschaften, die im E-Book genannt werden, ist die Weichelastizität: „Sie vereint die Wärmeableitung einer Flüssigkeit mit der mechanischen Festigkeit eines Duroplasten und bietet so Schwingungsdämpfung, die weit über den marktführenden Technologien auf Basis von Polyurethan oder Silizium liegt.“ Die Elastomere bieten auch starke druckempfindliche Hafteigenschaften, sie fühlen sich klebrig an und verbinden sich mit den meisten Oberflächen. Über APRA arbeitet die Universität Cambridge mit dem Spin-off-Unternehmen Cambridge Smart Plastics an der Entwicklung eines neuen Konzeptes zur Anwendung reversibel haftender Flüssigkristall-Elastomere. Das soll „so simpel sein wie eine Hand, die zugreift und auf Befehl wieder loslässt“. Sie haben einen natürlich haftenden Gummi erzeugt, dessen Eigenschaften sich durch Wärmeeinwirkung verändern, sodass er sich leicht lösen lässt. Sobald er abkühlt, wir der Gummi wieder haftend, sodass dieser „wahrhaft wiederverwendbare Klebstoff“ erneut nutzbar wird. Eine weitere spannende Eigenschaft dieser Elastomere ist es, sich bei Hitze oder Kälte reversibel zusammenzuziehen oder auszudehnen. „Wenn das Material in ausgerichtetem Zustand auf eine bestimmte Form programmiert wurde, dann ist das seine natürliche Form. Doch bei Wärmeeinwirkung zieht sich das Material um 100 % bis 200 % zusammen, was allerdings vollständig umkehrbar ist – es dehnt sich beim Abkühlen wieder in seine natürliche Form zurück. Durch diese mechanische Steuerung können wir Aktoren, künstliche Muskeln oder einen Flüssigkristall-Elastomer-Antrieb konzipieren, die mit dem Temperaturunterschied in zwei Behältern arbeiten.“ Durch einen kürzlichen Durchbruch der Forschenden konnten sie die bekannten Hürden bei der Anwendung dieser Steuerung in praktischen Geräten überwinden. Dieser Durchbruch war die Entwicklung von Vitrimeren aus Flüssigkristall-Elastomeren. „Vitrimere sind deutlich stabiler als andere flüchtige Elastomer-Netze, und ermöglichen dennoch die thermische Neugestaltung (das Material ist somit vollständig erneuerbar). So können komplexe Formen mit aufwendiger lokaler Ausrichtung geschaffen werden (das ist mit herkömmlichen dauerhaften Elastomeren unmöglich)“, heißt es im E-Book. Diese Eigenschaften lassen eine ganze Reihe von Anwendungen der Flüssigkristall-Elastomere am Horizont auftauchen: Platten zur Geräuschabschirmung, Geräte zur Abfederung der Fahrbahnvibrationen zur präziseren optischen Abstands- und Geschwindigkeitsmessung und mehr Fahrgastkomfort, vollständig reversible Haftstreifen, um „den Einweg-Klebstoffen von heute ein Ende zu machen“, die automatische Sonnenstandserfassung von Solarmodulen sowie Motoren, die Abwärme in Leistung umsetzen. Das fünfjährige Projekt APRA (Active Polymers for Renewable Functional Actuators) endet im September 2023. Weitere Informationen: APRA-Projektwebsite
Schlüsselbegriffe
APRA, Flüssigkristall-Elastomer, Polymer, Kunststoffe, Elastizität, Adhäsion, Automatisierung, Gummi, Vitrimer