Neue Generation miniaturisierter Kameras verändert den Satellitenmarkt
SATLANTIS wurde vor sechs Jahren gegründet. Unterstützt von Unternehmen wie Telefonica und Everis konnte sich das Start-up schnell einen Namen in der Raumfahrtindustrie machen. Im Mittelpunkt dieser Aufmerksamkeit steht iSIM (Integrated Standard Imager for Earth Observation Microsatellites) – eine 15 kg schwere Satellitenkamera, die zehnmal kleiner, bis zu vierfach präziser und 80 % günstiger als ihre Pendants ist. Juan Tomás Hernani, Geschäftsführer von SATLANTIS, erläutert die Erfolge des Unternehmens, seitdem es in Phase 1 des KMU-Instruments erstmals EU-Unterstützung für eine Idee und ein Patent erhielt, das nun über 15 Mio. EUR wert ist.
Was sind die wichtigsten Wirtschaftsargumente für iSIM?
Juan Tomás Hernani: Die Kamera ist nicht nur eine Komponente, sie ist das Herzstück einer Mission und bestimmt ihre gesamten Kosten. Eine Miniaturisierung der Kamera um den Faktor 4 bis 10 (abhängig von dem Wettbewerber, mit dem verglichen wird) bietet einen Einsparungsfaktor von bis zu 80 % der Gesamtkosten der Mission. Dies ist eine echte Belastung, wenn man den durchschnittlichen Startpreis von etwa 30 000 EUR pro Kilogramm berücksichtigt. Das zweite Argument für iSIM bezieht sich auf Elektronik und Multispektralität. Der hohe Durchsatz der an Bord integrierten Verarbeitungskapazität bietet dem Kunden eine native Submeterauflösung in allen multispektralen Bändern (zum Beispiel haben wir derzeit vier Bänder in den Bereichen RGB und NIR). Andere Missionen hingegen bieten ebenfalls eine multispektrale Bildgebung, jedoch mit einer schlechteren räumlichen Auflösung als bei der panchromatischen Bildgebung. Außerdem verschlechtert sich die räumliche Auflösung, wenn mehr Bänder hinzugefügt werden. Dadurch bietet iSIM zusätzlich zu seiner wettbewerbsfähigen Größe eine viermal höhere Genauigkeit.
Was bedeuten diese Fortschritte konkret für den Satellitenbetrieb? Können Sie ein oder zwei Beispiele für mögliche Anwendungen geben?
Der Hauptvorteil für den Betrieb wäre die Möglichkeit von Echtzeitanwendungen. Da ein vollständiger Satellit einige Millionen Euro kosten kann, gibt es bei den Kunden einen Paradigmenwechsel: von einer großen Investitionsausgabe, die über viele Jahre hinweg genutzt werden soll, hin zu Betriebskosten, bei der regelmäßig neue Satelliten mit der neuesten verfügbaren Technologie und mit immer längeren Überflugzeiten gestartet werden. Nun ist es möglich, sich eine Konstellation mit nur drei Satelliten vorzustellen, welche den europäischen Bedarf an Grenzüberwachung decken könnte. Dazu gehört beispielsweise, dass die Mittelmeerküste alle paar Stunden überflogen wird, was mit der 390MED-Konstellation durchgeführt werden kann.
Worin bestehen für Sie die größten Herausforderungen beim Entwicklungsprozess und wie konnten Sie diese überwinden?
Extreme Präzision ist entscheidend, damit eine Weltraumkamera wie iSIM an der Beugungsgrenze arbeiten kann. Nur 40 Nanometer in der Oberflächenrauheit der Objektive können das Verhalten der Kamera ändern. Ein solches Maß an Präzision ist eine große Herausforderung, die SATLANTIS dank des Hintergrunds und des Erfahrungsschatzes seines Raumfahrtingenieurteams aus den besten internationalen Kompetenzzentren in Argentinien, Deutschland, Frankreich, Italien und dem Vereinigten Königreich bewältigen konnte. Außerdem ermöglichte eine erhebliche Investition in die Infrastruktur dem Team, diese extreme Anforderung zu erfüllen. Dazu haben wir die SATLANTIS FACTORY gegründet, eine wichtige öffentlich-privat finanzierte Initiative.
Was haben Sie dank der EU-Finanzmittel erreicht?
Die ersten 50 000 EUR der Phase 1 des KMU-Instruments kamen an, als SATLANTIS ein Patent, eine Idee und einen Mitarbeiter hatte. Seitdem haben wir den Geschäftsplan entwickelt und die erste Finanzrunde mit sehr großen Investoren abgeschlossen, darunter Telefonica, Everis, Idom, Orza und öffentliche Institutionen wie die spanische Regierung, die baskische Regierung und die Regierung von Bizkaia. Die folgenden 1,7 Mio. EUR haben uns Glaubwürdigkeit verliehen, als wir Banken, Kunden und anderen Institutionen gegenüberstanden, um ein leistungsfähigeres Unternehmen zu entwickeln, das in sechs Jahren insgesamt 15 Mio.EUR aufgebracht hat. Die Beauftragung der JAXA (Japan Aerospace Exploration Agency) mit der Demonstration von iSIM in der Umlaufbahn sowie die erfolgreich bestandenen Überprüfungen mit der JAXA und NASA zum Start von iSIM zur Internationalen Raumstation (ISS) waren die letzten wichtigen Meilensteine des Projekts und repräsentieren die Erfüllung unserer Ziele. Dank des KMU-Instruments sind wir heute ein weltweit führender Anbieter von Weltraumkameras für Kleinsatelliten.
Wie hat die Branche auf die Entstehung dieser Technologie reagiert?
Wir waren absolute Pioniere dieser revolutionären Miniaturisierungstechnologie, aber jetzt haben wir, wie wir ursprünglich erwartet hatten, einen gewissen Wettbewerb. Die Branche ermöglicht die Existenz großer und kleiner Erdbeobachtungssatelliten mit ähnlichen Spezifikationen, während der Miniaturisierungstrend größere Unternehmen wie Airbus, Thales oder Maxar dazu veranlasst hat, umfangreiche Unternehmensakquisitionen und -fusionen zu starten. Dennoch ist die Branche alles andere als stabil. Diese Marktstörung führt zu Neupositionierungen, Fusionen usw. Letztendlich ist die Raumfahrtindustrie ein digitales Datengeschäft, das einem enormen Wettbewerbsdruck und Paradigmenwechsel ausgesetzt ist. Diese Umwandlung spürt man auf jeder einzelnen Ebene der Wertschöpfungskette.
Was planen Sie im Anschluss, insbesondere hinsichtlich weiterer EU-Finanzierungsmöglichkeiten?
SATLANTIS hat auf eine industrielle Komponentenstrategie gesetzt, anstatt auf eine traditionelle Raumfahrtmethode (obwohl einige, zum Überleben in dieser Branche nötigen grundlegende Prozesse übernommen wurden). Dieses „Produktsystem“-Konzept liefert schnelle und effiziente Ergebnisse für eine Familie von iSIM-Kameras und -Satelliten, von CubeSats über Multispektralbilder im Submeterbereich bis hin zu hochauflösenden Bildern im Infrarotbereich. Der SATLANTIS-Fahrplan ist wichtiger als je zuvor und dreht sich um drei unabhängige Achsen: höhere Auflösung und mehr multispektrale Bänder, erweitertes Spektrum sowie Satellitenintegration.
Wann erwarten Sie den Start der ersten mit iSIM ausgestatteten Satelliten?
Zusätzlich zu dem vom KMU-Instrument finanzierten Flug haben wir zwei vertraglich vereinbarte Starts. Der erste ist ein zweiter Flug zur ISS im Rahmen der STP-H7-Mission, die vom US-amerikanischen Verteidigungsministerium in Zusammenarbeit mit SCHREC (einem in den USA ansässigen Forschungszentrum) finanziert wird. Mit dieser Mission, die voraussichtlich im Frühjahr 2021 stattfinden wird, können wir eine andere, für CubeSats entwickelte Version der Kamera testen. Dann haben wir eine vom Vereinigten Königreich betriebene Mission für den Öl- und Gassektor, die von der ESA finanziert und von Open Cosmos geleitet wird, für die SATLANTIS die Kamera liefert. Der Start findet voraussichtlich Ende 2021 statt. Mehrere Geschäftsmöglichkeiten warten auf die Ergebnisse der Demonstration in der Umlaufbahn im Juni 2020. Dann wird SATLANTIS voraussichtlich seine Start-up-Phase beenden.
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Spanien