EU-Forschung trägt zur Verlängerung der Betriebslebensdauer von geothermalen Bohrlöchern bei
Die überarbeitete Richtlinie zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen der EU legt bis 2030 einen neuen verbindlichen Anteil der erneuerbaren Energie am Energieverbrauch von mindestens 32 % fest, mit einer Klausel zur möglichen Korrektur nach oben bis 2023. Dies wird dazu beitragen, Unsicherheiten in der Energieversorgung anzugehen und Ängste vor der Erderwärmung zu mindern. Ein Bestandteil dieser Strategie ist das Wachstum des geothermischen Sektors. Im Zuge des GeoWell-Projekts wurden neue, zuverlässige, wirtschaftliche und umweltverträgliche Technologien für die Gestaltung, Fertigstellung und Überwachung von geothermalen Hochtemperatur-Bohrlöchern entwickelt und geprüft. Die Forschungsgruppe befasste sich mit allen relevanten Schritten im Fertigstellungsprozess für geothermale Bohrlöcher, darunter Zement- und Versiegelungstechniken, Werkstoffauswahl und Rohrverbinder für die Verrohrung zur Verlängerung der Lebensdauer von geothermalen Hochenergie-Bohrlöchern. Das Konsortium bestand aus erfahrenen Mitgliedern im Bereich der geothermischen Entwicklung, führenden akademischen Einrichtungen, großen Öl- und Gasforschungseinrichtungen sowie KMU mit Zugang zu Spitzenforschungsanlagen. Hierzu zählten Testbohrlöcher zur Validierung innovativer Technologien und Labore für die Materialprüfung.
Erprobung neuer Technologien
Die Projektpartner fokussierten sich auf herkömmliche Produktionsbohrlöcher und tiefere Bohrlöcher, in denen der Druck auf bis zu 150 bar ansteigt und Temperaturen von über 400 °C herrschen, um die Technologien in Laboren und bestehenden geothermischen Umgebungen unter In-situ-Bedingungen zu testen. Es wurden zudem wichtige Engpässe wie hohe Investitions- und Instandhaltungskosten durch die Entwicklung und Validierung innovativer Materialien und Entwürfe angegangen, welche die bestehenden Konzepte übertreffen. Die Forschenden untersuchten neuartige Zement- und Versiegelungstechniken, Werkstoffe für Verrohrungen und flexible Rohrverbinder, um die thermomechanische Belastung zu minimieren. Darüber hinaus wurden eine Lichtwellenleitertechnologie und Anwendungen zur Messung der Temperatur und von Verschiebungen in Bohrlöchern entwickelt und erfolgreich in Bohrlöchern in Deutschland und Island bei verschiedenen Temperaturen und Tiefen erprobt.
Innovative Materialien
Zementproben wurden in der Bohrung des Projekts Iceland Deep Drilling (IDDP-1) Temperaturen von bis zu 450 °C ausgesetzt. Im Anschluss an eine Laboranalyse bei Umgebungstemperatur zeigte sich, dass Portland-Zementmischungen, die Kieselsäure beinhalten, für die Verwendung in geothermischen Anwendungen geeignet sind. Doch Wassertaschen können zu einem kritischen Druckaufbau in Zementhülsen führen. „Diese Erkenntnisse resultierten in der Entwicklung von ,pumpbarem‘ Zement mit reduziertem Wassergehalt, ohne dessen Versiegelungseigenschaften zu mindern“, sagt Projektkoordinator Arni Ragnarsson. Das Team erarbeitete zudem eine verformbare Zwischenschicht zwischen dem Zement und der Verrohrung, um die Verschiebungen, die durch Temperaturveränderungen verursacht werden, auszugleichen und im Zuge von Tests im kleinem Maßstab wurde das Potenzial von Nanomaterialien zur Reibungsminderung untersucht. „Die entwickelte Formulierung hat aussichtsreiche Eigenschaften, bildet eine dünne Schicht und kann die Reibungskräfte um mehr als das Zehnfache reduzieren“, erklärt Ragnarsson. Große Temperaturunterschiede in geothermalen Bohrlöchern führen regelmäßig zu Ausfällen in der Verrohrung. Die Forschergruppe entwickelte daher einen flexiblen Rohrverbinder, der eine axiale Bewegung der Verrohrungssegmente ermöglicht und es wurden mehrere Prototypen im vollen Maßstab erprobt. Außerdem wurden unter Verwendung eines dedizierten Hochtemperatur-Prüfstands Zugfestigkeitsprüfungen am Verrohrungsmaterial durchgeführt, während Korrosionsprüfungen in einem Autoklaven durchgeführt wurden. Der flexible Rohrverbinder wird derzeit im Rahmen des EU-finanzierten Projekts DEEPEGS vor Ort getestet, um die Technologie dem Geothermiesektor zur Verfügung stellen zu können.
Große Vorteile
Die über GeoWell entwickelten Gestaltungs- und Überwachungstechnologien werden erhebliche wirtschaftliche Vorteile bieten, da das Risiko von Verrohrungsausfällen gesenkt und die Überwachungsmethoden und die Risikobewertung verbessert werden. Außerdem wird die Entwicklung neuer Materialien und innovativer Lösungen zur Integrität und Sicherheit von geothermalen Hochtemperatur-Bohrlöchern beitragen, den Bedarf an Instandhaltungsarbeiten senken und die Betriebslebensdauer von geothermalen Hochtemperatur-Bohrlöchern steigern. Die GeoWell-Technologien können auf ein breites Temperaturspektrum von tiefen geothermalen Bohrlöchern in ganz Europa angewandt werden. „Die Ergebnisse werden die Konstruktion und den Betrieb von geothermalen Hochtemperatur-Bohrlöchern verbessern, wobei insbesondere auf eine Optimierung der Integrität abgezielt wird, um neue Geschäftsmöglichkeiten für die Industrie zu bieten. Auf diese Weise wird Europa zweifellos seine weltweit führende Position in der Geothermie bewahren können“, lautet das Fazit von Ragnarsson.
Schlüsselbegriffe
GeoWell, geothermale Hochtemperatur-Bohrlöcher, Zement, Verrohrung, Überwachung, Versiegelung, flexibler Rohrverbinder, Reibung, Lichtwellenleiter