Forschung zum Einfluss der Medien auf Gedanken und Gefühle der Europäerinnen und Europäer gegenüber Einwanderung
Obwohl weithin anerkannt wird, dass die Massenmedien die Einstellung zur Einwanderung beeinflussen, liegen dazu nur wenige empirische Erkenntnisse vor. Makrosoziale Studien, die die Einwirkung der Massenmedien auf die Akzeptanz von Einwanderung festgehalten haben, setzen Nachrichten über Einwanderinnen und Einwanderer (Häufigkeit und Ton der Berichterstattung) mit Daten über die Einstellung der Menschen in Verbindung. Doch anhand ihrer Ergebnisse fällt es schwer, einen direkten kausalen Zusammenhang zu beweisen. Bei der Forschung im Rahmen des Projekts IMMIGRANTS, die mit Unterstützung der Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen durchgeführt wird, steht eher das Individuum im Mittelpunkt. Das Forschungsteam konfrontiert Menschen mit gewissen Nachrichten über Einwanderung und nimmt dann ihre Reaktionen auf, in Form von ihren Einstellungen und Emotionen. Sylvie Graf und Sabine Sczesny, Professorinnen an der Universität Bern fanden heraus, dass die Sprache, die zur Beschreibung von Einwanderinnen und Einwanderern verwendet wird (z. B. Substantive vs. Adjektive), der Tonfall der Nachrichten (positiv vs. negativ), wer sich über das Thema Einwanderung äußert (Migrantinnen/Migranten vs. Fachleute) und vorliegende Bilder die Einstellungen gegenüber Einwanderinnen und Einwanderern sowie Einwanderung beeinflussen.
Aufdeckung der zugrundeliegenden Mechanismen
Eine Methode, die das Forschungsteam des Projekts IMMIGRANTS einsetzte, war die Erstellung fiktiver Zeitungsberichte, die von echten Nachrichten beeinflusst waren. Beispielsweise erstellte es verschiedene Versionen eines Artikels über positives bzw. negatives Verhalten italienischer Einwanderinnen und Einwanderer in der Schweiz. In einer Version wurde die Staatsangehörigkeit nur mit Substantiven beschrieben („eingewanderte Italiener“), in einer anderen nur mit Adjektiven („italienische Einwanderer“). Die Teilnehmenden wurden nach dem Zufallsprinzip in vier Gruppen eingeteilt, eine Gruppe für jeden Bericht. Nachdem sie die fiktiven Artikel gelesen hatten, wurden die Teilnehmenden über ihre Gefühle gegenüber den italienischen Einwanderern sowie über ihre Einstellung gegenüber Einwanderinnen und Einwanderern und Einwanderung befragt. Das Forschungsteam verglich die Ergebnisse der vier Gruppen unter der Annahme, dass alle Unterschiede von der experimentellen Manipulation herrührten. Den Ergebnissen zufolge können Nachrichten über Einwanderinnen und Einwanderer in Massenmedien die Einstellungen gegenüber gewissen Einwanderungsgruppen durch nur einmalige Berichterstattung verändern. Bezüglich der Bezeichnungen wurde Folgendes festgestellt: Wenn die ethnische Herkunft oder Staatsangehörigkeit der Einwanderinnen und Einwanderer mit Substantiven beschrieben wurde, hatten die Menschen eher negative Gefühle gegenüber der beschriebenen Gruppe als wenn sie mit Adjektiven beschrieben wurden. Dabei spielte es keine Rolle, ob der Artikel von positivem oder negativem Verhalten von Einwanderinnen und Einwanderern handelte. „Wir können es nicht vermeiden, Bezeichnungen zu verwenden, wenn wir die Gruppenzugehörigkeit anderer Menschen beschreiben. Wir suchen nach Informationen darüber, woher andere kommen oder wohin sie gehören, um unsere soziale Umgebung einzuordnen. Wir sollten unsere Worte jedoch umsichtig wählen, da unsere Beschreibungen womöglich die Einstellungen unserer Zielgruppe polarisieren“, sagt Graf, Marie-Skłodowska-Curie-Stipendiatin. Den vorläufigen Ergebnissen zur Wirkung von Bildern in Nachrichten (durch Online-Nachrichten zunehmend verbreitet) über Einwanderung zufolge wecken Berichte mit Bildern, auf denen Einwanderinnen oder Einwanderer abgebildet sind, mehr Empathie als Berichte ohne Bilder und führen folglich zu einer positiveren Einstellung gegenüber Einwanderinnen und Einwandern sowie Einwanderung. Graf sagt jedoch weiter: „Die besondere Rolle von Bildern bei Nachrichten über Einwanderung muss weiter erforscht werden.“
Auf dem Weg zu integrativeren und harmonischeren Gesellschaften
Um integrativere und harmonischere Gesellschaften aufzubauen, hat die Europäische Plattform gegen Armut und soziale Ausgrenzung das Ziel gesetzt, dass Einwohnerinnen und Einwohner von europäischen Ländern mit Menschen verschiedener ethnischer, kultureller und religiöser Hintergründe übereinkommen müssen. „Wenn wir die Faktoren, die Intoleranz bekämpfen oder verstärken, besser verstehen, können maßgeschneiderte Maßnahmen erstellt werden, um die Beziehungen zwischen verschiedenen Gruppen in der Gesellschaft zu verbessern“, so Graf. Bisher hat das Team seine Ergebnisse bei Workshops an professionelle Sprachrohre im Bereich Einwanderung (Journalistinnen und Journalisten, Angestellte von Nichtregierungsorganisationen) weitergegeben, jetzt will es ein größeres Publikum erreichen. Es beabsichtigt auch, seine Forschung auf die Wirkung von Bildern sowie auf Verhaltensabsichten gegenüber Menschen verschiedener Gruppen auszuweiten.
Schlüsselbegriffe
IMMIGRANTS, Nachrichten, Einwanderinnen/Einwanderer, Einwanderung, Substantive, Adjektive, Massenmedien, Einstellungen, Verhalten, Bezeichnungen, Beschreibungen