Neue Klasse photoaktivierter Krebsmedikamente
PACT-Wirkstoffe enthalten eine durch Licht spaltbare Schutzgruppe, die die Interaktion mit der zellulären Umgebung verhindert. Bei einer lichtinduzierten Spaltung der Bindung wird das erzeugte Produkt für Krebszellen toxisch.
Neue Tumormedikamente durch Spaltung von Licht
Im Rahmen des EU-finanzierten Projekts HypoRuLight wurden neue PACT-Wirkstoffe für die Tumortherapie entwickelt und getestet. Projektkoordinator Sylvestre Bonnet erklärt dazu: „Im Gegensatz zur photodynamischen Therapie (PDT), bei der das lichtabsorbierende Prodrug molekularen Sauerstoff braucht, um Krebszellen abzutöten, verzichtet PACT auf Sauerstoff. Daher sind PACT-Wirkstoffe eher zur Behandlung hypoxischer Tumoren geeignet, da dort die Sauerstoffkonzentration niedrig ist und Tumorzellen sehr resistent gegen PDT und andere Therapien sind.“ Im Rahmen von HypoRuLight testeten die Forscher die Wirksamkeit mehrerer PACT-Substanzen an Modellen für hypoxische Krebserkrankungen und verglichen deren Wirksamkeit mit der Wirksamkeit unter normoxischen Bedingungen. Dabei kamen vier mögliche Wirkstoffe zum Einsatz: der erste unterdrückt ein Enzym, das in Tumoren überexprimiert und an der Biosynthese von Energiemolekülen beteiligt ist. Die zweite Substanz destabilisiert das Zellzytoskelett, die letzten beiden induzieren DNA-Schäden.
Wirksamkeit von PACT-Substanzen
In Versuchen mit diesen PACT-Substanzen an Monoschichten von Tumorzellkulturen unter hypoxischen (1 % Sauerstoff) und normoxischen (21 % Sauerstoff) Bedingungen konnten die Forscher die Konzentration der Zytostatika berechnen. Zudem testeten sie die Wirksamkeit der Substanzen auf 3D-Tumorzellsphäroidkulturen mittels Bildgebung. Nach Bestrahlung mit grünem Licht zeigten diese PACT-Wirkstoffe am Mausmodell für Lungenkrebs niedrige Zytotoxizität. In vivo verringerte sich dabei das Tumorvolumen um insgesamt 30 % ohne toxische Nebenwirkungen. Das Abtöten hypoxischer Krebszellen ist jedoch schwieriger. Während der Anpassung an sauerstoffarme Umgebungen werden Krebszellen zunehmend resistent gegen Chemotherapien. Selbst wenn die Lichtaktivierung unter Hypoxie gut funktioniert und die chemische Bindung gespalten wird, ist die Zytotoxizität der erzeugten Produkte niedriger als unter normoxischen Bedingungen. Um PACT-Wirkstoffe zu entwickeln, die in hypoxischen Krebszellen eine stärkere toxische Wirkung entfalten, wurde Bonnet mit 1,5 Mio. EUR über das innovative Forschungsförderungsprogramm VICI Grant des niederländischen Forschungsrates NWO gefördert.
Zukunftsaussichten
Bonnet geht davon aus, dass die PACT-Wirkstoffe in 3-5 Jahren für klinische Studien zugelassen werden, wenn alle präklinischen Daten vorliegen, u. a. zur biologischen Verteilung, Wirksamkeit und Sicherheit in vivo, und wenn die genaueren Mechanismen erforscht sind. Neben nichtmelanozytärem Hautkrebs sowie Kopf- und Halskarzinomen will die Forschergruppe um HypoRuLight den Schwerpunkt auch auf Leber- und Augenkarzinome legen und die Markteinführung der PACT-Wirkstoffe vorantreiben. Ein Unternehmen mit Sitz in den Vereinigten Staaten zeigte bereits Interesse an einem der Wirkstoffe, der in Zusammenarbeit mit Alexander Kornienko von der Texas State University in den USA entwickelt und durch den französischen Phototherapeuten Bertrand Liagre an Maus-Xenotransplantaten getestet wurde. Bonnet betont, wie bedeutsam der Proof-of-Concept-Förderpreis des Europäischen Forschungsrates ist, um Grundlagenforschung und Anwendungen näher zusammenzubringen: „Als ausgebildeter Chemiker war mir vor HypoRuLight nur sehr vage klar, an welchem Krebsmodell ich PACT-Moleküle testen sollte. Der ERC-Zuschuss jedoch gab den Ausschlag, ein Onkologieunternehmen für eine Marktstudie heranzuziehen. Nun kann ich mir viele Fragen besser beantworten, was in der Wirkstoffforschung entscheidend ist.“
Schlüsselbegriffe
HypoRuLight, Krebs, photoaktivierte Chemotherapie (PACT), Arzneimittel, Sauerstoff, hypoxisch, photodynamische Therapie (PDT), zytotoxisch