AcTakine: die nächste Generation der Immuntherapie
Zytokine sind immunregulatorische Proteine, welche die physiologischen Prozesse im Körper steuern. Eine Zytokinstörung ist mit zahlreichen Pathologien wie unter anderem Autoimmunerkrankungen und Krebs verbunden, und Zytokine werden deshalb für die Behandlung genutzt. Ihr räumlich stark eingeschränktes Aktivitätsmuster hat jedoch zur Folge, dass mit einer systematischen Verabreichung zu therapeutischen Zwecken schwere Nebenwirkungen verbunden sind. Zellspezifische Anvisierung von Zytokinen Das EU-finanzierte CYRE-Projekt verfolgte die Kontrolle der räumlichen Verteilung verabreichter Zytokine. Zu diesem Zweck wurden „Activity-on-Target“-Zytokine (AcTakine) entwickelt, die ihre Wirkung nur bei anvisierten Zellen entfalten, während sie auf dem Weg durch den Körper inaktiv bleiben. „Unser Ziel war, die sichere Nutzung des klinischen Potentials von Zytokinen zu unterstützen“, erklärt Projektkoordinator Prof. Jan Tavernier. AcTakine bestehen aus einem mutierten Zytokin mit stark verringerter Bindungsaffinität für seinen Rezeptorkomplex und einem zielgerichteten Molekülteil, der einen zellspezifischen Oberflächenmarker bindet. Dies vereinfacht die spezifische Anvisierung und verhindert die systemische Toxizität, die mit der pleiotropen Bindung von Zytokinen verbunden ist. Nach dem Konzeptnachweis für strukturell vielfältige Zytokine wie z. B. Typ-I- und Typ-II-Interferone, Tumor-Nekrose-Faktor (TNF) und Interleukin-1 (IL-1), validierten die CYRE-Forscher die Wirkung der AcTakine in vivo an verschiedenen Mäusemodellen für Melanome, Lymphome und Brustkarzinome. Als Krebszellen oder charakteristische Zellen des Immunsystems anvisiert wurden, glich die Wirksamkeit der AcTakine der von klassischen Zytokinen, sodass ein vollständiger Tumorwachstumsstopp, allerdings ohne die unerwünschten Nebenwirkungen, erreicht wurde. Bei einer Kombinationstherapie mit Doxorubicin oder bei Anvisierung des Tumorgefäßsystems wurde ein verbessertes Behandlungsergebnis erreicht. Abgesehen von einer minimalen Toxizität führte die Verabreichung von AcTakinen zu Immunität gegen den Tumor. Erfolge von AcTakinen Zurückblickend auf das Jahr 1980, in dem er als Doktorand Mitglied eines Teams war, das Interferon-Gene klonte, erinnert sich Prof. Tavernier an die immensen Erwartungen der Wissenschaftsgemeinde, die in diese neuartigen Krebsarzneimittel gesetzt wurden. Unglücklicherweise wurde deren volles klinisches Potential durch wesentliche Toxizitätsprobleme getrübt. CYRE hat demonstriert, dass das AcTakine-Konzept im Prinzip auf jede Art von Zytokin angewandt werden kann. Durch die Entwicklung von AcTakinen für strukturell unterschiedliche Arten von Zytokinen haben die Wissenschaftler gezeigt, dass sich die inhärente Toxizität von Zytokinen jetzt kontrollieren lässt. Die Präzision von AcTakinen bei der Anvisierung einzelner Zelltypen macht diese sicher für die systemische Verabreichung, während gleichzeitig ihr therapeutisches Potential erhalten bleibt. AcTakine können zur Behandlung eines sehr breiten Spektrums von Krebserkrankungen genutzt werden, und senken somit die generellen klinischen Entwicklungskosten. Da sie nicht unbedingt die Tumorzellen selbst anvisieren, wird die Therapieresistenz deutlich geringer im Vergleich zu herkömmlichen Krebsarzneimitteln sein. Um die AcTakine vom Labor in die klinische Praxis zu übertragen, gründete Prof. Tavernier gemeinsam mit Nikolai Kley ein Spin-off-Unternehmen namens Orionis Biosciences. Das Unternehmen, das jetzt auch über den Atlantik hinaus operiert, hat ein äußerst umfangreiches IP-Portfolio zusammengestellt, das viele Aspekte der AcTakine-Plattform berücksichtigt. Ausgewählte AcTakine mit optimierten pharmazeutischen Eigenschaften für die Anwendung beim Menschen befinden sich bereits in der Produktionsphase. Laut Tavernier wird die klinische Weiterentwicklung in Kooperation mit wichtigen Arzneimittelunternehmen auf dem Gebiet der Immuntherapie die klinischen Phase-I-Studien vereinfachen, die voraussichtlich Ende 2020 beginnen. Mit Blick auf die Zukunft ist Prof. Tavernier zuversichtlich: „AcTakine werden ihren Weg in die Klinik für ein breites Krankheitsspektrum, einschließlich zahlreicher Autoimmunerkrankungen, finden, das über Krebs hinausgeht.“ Da die Immuntherapie derzeit auf zielgerichtete Antikörper, Immun-Checkpoint-Inhibitoren und zellbasierte Therapien fokussiert ist, werden AcTakine dabei helfen, das therapeutische Potential von Zytokinen neu zu beleben.
Schlüsselbegriffe
CYRE, AcTakine, Zytokine, Krebs, Toxizität, Immuntherapie, autoimmun