Astronomen entdecken ältesten jemals beobachteten fernen Galaxienhaufen
EU-finanzierte Astronomen haben den entlegensten und am weitesten entwickelten Galaxienhaufen, der jemals gefunden wurde, entdeckt und dessen Abstand zu uns vermessen. Die in der Fachzeitschrift Astronomy and Physics veröffentlichte Studie wurde zum Teil durch das Projekt UPGAL ("Understanding the physics of galaxy formation and evolution at high redshift") unterstützt, das fast 940.000 EUR aus dem Programm "Ideen" des Siebten Rahmenprogramms (RP7) erhalten hat. Galaxienhaufen, die größten durch Schwerkraft zusammengehaltenen Strukturen im Universum, werden üblicherweise mit der Zeit immer größer. Allerdings scheint der von den Astronomen entdeckte Cluster relativ "erwachsen" zu sein - eine Seltenheit für einen Galaxienhaufen im frühen Universum. Es wurden zwar bereits auch noch weiter entfernte Galaxienhaufen beobachtet, diese scheinen allerdings noch im Entstehen begriffen und noch keine ausgewachsenen Objekte zu sein. Das Licht des entdeckten Objekts brauchte so lange zur Erde, dass sich der Galaxienhaufen in einem Zustand zeigt, den er hatte, als das Universum ungefähr 3 Milliarden Jahre alt war, also weniger als ein Viertel seines jetzigen Alters. Außerdem zeigen die Ergebnisse, dass der Galaxienhaufen den Clustern des heutigen Universums ähnelt. Wesentliche Merkmale, die auf das Alter eines Galaxienhaufens schließen lassen, sind die Zusammensetzung seiner Sterne und die Art und Weise, wie er Gas einfängt. Den Ergebnissen zufolge bestehen die meisten Galaxien des Clusters aus Sternen, die bereits rund 1 Milliarde Jahre alt und nicht gerade im Entstehen sind. Deshalb kann der Cluster als "ausgewachsen" betrachtet und hinsichtlich seiner Form mit der Milchstraße oder dem Virgohaufen verglichen werden. Darüber hinaus erzeugt der Galaxienhaufen Röntgenstrahlung, die sich auf sehr heißes und dünnes Gas zurückführen lässt, das den Raum zwischen den Haufengalaxien ausfüllt und eine Konzentration zum Zentrum des Haufens hin aufweist. Wenn ein Cluster durch seine eigene Schwerkraft zusammengehalten wird, ist das ein weiteres Zeichen von Reife, da jüngere Cluster noch nicht die Zeit gehabt hätten, ein solches Gasreservoir anzusammeln. "Diese neuen Ergebnisse stützen die Theorie, dass erwachsene Galaxienhaufen bereits existierten, als das Universum weniger als ein Viertel seines heutigen Alters hatte", sagt Raphael Gobat, ein Forscher von Laboratoire AIM-Paris-Saclay in Frankreich. "Doch vermutlich sind solche Haufen sehr selten, so dass wir Glück hatten, ein solches Objekt überhaupt zu finden." Zur Identifizierung des Cluster verwendeten die Forscher eine Vielzahl von Teleskopen, sowohl auf der Erde als auch im Weltraum, darunter auch das Very Large Telescope (VLT), das die Europäische Südsternwarte (ESO) in der Atacamawüste in Chile betreibt. Zuvor hatte das Weltraumteleskop Spitzer einen merkwürdigen Fleck sehr lichtschwacher roter Objekte, der derzeit die Sonne umkreist, beobachtet. "Wir sind zufällig auf diese Galaxie gestoßen: Wir sahen die Struktur als eine Ansammlung von Galaxien, die viel röter und konzentrierter erschienen als die in ihrer Umgebung", sagt der Emanuele Daddi, ebenfalls vom Laboratoire AIM-Paris-Saclay. Die Entfernungen zu diesen geheimnisvollen Objekten wurden dann mit dem VLT gemessen. Sobald die Entfernungen bestimmt waren, wurden die Komponenten der Galaxien mithilfe des Weltraumteleskops Hubble von NASA und ESA (European Space Agency) sowie mit Teleskopen auf der Erde analysiert. Während es mehrere Jahre dauerte, bis man bestätigen konnte, was die Struktur war, könnten künftige Röntgenobservatorien routinemäßig ähnliche Galaxienhaufen finden und untersuchen und die Details ihrer Struktur enthüllen. Dem Team zufolge könnte die Entdeckung weiterer Galaxienhaufen wie diesem Auswirkungen auf die aktuelle, weithin akzeptierte Theorie zur Entstehungsweise kosmischer Strukturen haben. "Diese Entdeckung hat erstmals gezeigt, dass es im jungen Universum bereits alte Galaxienhaufen gab und dass wir diese beobachten können", sagt Dr. Gobat. "Nur die Zeit wird uns sagen, was 'alt' und 'jung' wirklich bedeuten und was dies für den breiteren Kontext der Kosmologie impliziert." Das RP7-Programm "Ideen" zielt auf von Forschern angeregte Aktivitäten der "Pionierforschung" ab, die von einzelnen Gruppen im europäischen Wettbewerb innerhalb und über alle Bereiche der Wissenschaft hinweg durchgeführt werden. Die Projekte erhalten Fördermittel auf der Grundlage von Vorschlägen, die von Forschern sowohl aus dem privaten als auch dem öffentlichen Sektor zu Themen ihrer Wahl eingereicht werden. Die Experten bewerten diese Vorschläge im Auswahlverfahren allein nach dem Kriterium der Exzellenz.Weitere Informationen unter: Europäische Südsternwarte (ESO): http://www.eso.org Europäische Weltraumorganisation (ESA): http://www.esa.int Astronomy and Astrophysics: http://www.aanda.org/
Länder
Frankreich