Genetische Faktoren für Übergewicht und Fettverteilung aufgedeckt
EU-finanzierte Forscher entdeckten 18 Gene, die Menschen anfällig für Übergewicht machen, und 13 Gene, die Einfluss auf die Fettverteilung haben. Die Forscher aus Europa, Australien, Kanada und den Vereinigten Staaten untersuchten an 250.000 DNA-Proben Veränderungen im Erbmaterial als Ursache für bestimmte Merkmale. Die Ergebnisse der beiden inzwischen im Fachblatt Nature Genetics veröffentlichten Studien enthüllen, warum manche Menschen schneller Gewicht zulegen als andere. Unter dem GIANT-Konsortium (Genetic Investigation of Anthropometric Traits), an dem 400 Spezialisten aus 280 internationalen Forschungseinrichtungen mitwirkten, fand eine groß angelegte Metaanalyse genomweiter Assoziationsstudien (GWAS) statt, die Aufschluss über die erbliche Veranlagung beim Taille-Hüft-Verhältnis (THV, engl.: waist-hip ratio, WHR) und Körperfettanteil (BMI, Body Mass Index) liefern sollte. "Manche Menschen tragen durchaus ein höheres Risiko für Adipositas (Fettleibigkeit) als andere", so Dr. Joel Hirschhorn vom Children's Hospital Boston und dem Broad Institute, Vereinigte Staaten, einer der Koordinatoren der Adipositasstudie und Betreuer beider Studien. "Die einen müssen kaum darauf achten, wie viel sie essen oder Sport machen, und nehmen trotzdem nicht zu, andere wiederum müssen ständig darum kämpfen, ihr Gewicht zu halten. Da diese Unterschiede teilweise genetisch bedingt sind, stellten wir uns natürlich die Frage, warum das Übergewichtsrisiko so unterschiedlich verteilt ist." Im Rahmen der Studien wurden verschiedene Gene dingfest gemacht, die zuvor noch nicht mit Fettleibigkeit in Zusammenhang gebracht worden waren. Die Ergebnisse könnten dazu beitragen, Ursachen besser einzuordnen und bessere Gegenmaßnahmen zu ergreifen, ist Dr. Hirschhorn überzeugt. Die Adipositasstudie untersuchte genetische Faktoren, die Einfluss auf den BMI (Körperfettmasse) haben, der sich aus dem Quotienten aus Gewicht (in kg) und Körpergröße (in m) zum Quadrat errechnet. Daten von 124.000 Menschen aus 46 Studien enthüllten 32 Genorte (18 davon neu). Das Team entdeckte zwei neue Genvarianten - eine kodiert für ein Rezeptorprotein, das auf Signale aus dem Darm reagiert und Insulinausschüttung und Insulinstoffwechsel reguliert, die andere befindet sich in der Nachbarschaft eines Gens, dessen Proteine das Hungergefühl beeinflussen. "Am interessantesten ist die Tatsache, dass sich die meisten der neuen BMI-assoziierten Varianten auf oder in der Nähe von Genen befinden, die bislang nicht mit Fettleibigkeit in Verbindung gebracht wurden", erklärt Dr. Elizabeth K. Speliotes vom Massachusetts General Hospital und dem Broad Institute, Koordinatorin der BMI-Studie und ebenfalls an beiden Studien beteiligt. "Unsere Forschungen zeigten, dass die biologischen Ursachen für Fettleibigkeit vielfältig sind und zum größten Teil noch wenig erforscht." Den Ergebnissen zufolge sind Menschen mit mehr als 38 dieser BMI-assoziierten Genvarianten zwischen 15 und 20 Pfund schwerer als Menschen, die weniger als 22 dieser Varianten tragen. Die zweite Studie untersuchte die genetische Veranlagung für die Fettverteilung im Körper. Nach Analysen der genetischen Faktoren für das THV bei 77.000 Menschen in 32 Studien und der Validierung durch Daten von mehr als 113.500 Personen in 29 Studien fanden die Forscher 14 Genorte, die Einfluss auf das THV haben (13 davon wiederum neu). Bemerkenswert ist die Tatsache, dass sieben der neuen Genvarianten Frauen stärker betreffen als Männer, was darauf hindeutet, dass sie für die unterschiedliche Fettverteilung bei Frauen und Männern verantwortlich sein könnten. "Indem wir Gene identifizierten, die Einfluss auf die Fettverteilung haben, und nun vielleicht die diesbezüglichen Unterschiede zwischen Frau und Mann klären können, hoffen wir, den zugrunde liegenden biologischen Prozessen auf die Spur zu kommen", so Dr. Cecilia Lindgren vom Wellcome Trust Centre für Humangenetik an der Oxford University, Vereinigtes Königreich, eine der Leiterinnen der THV-Studie und ebenfalls an beiden Studien beteiligt. Die Ergebnisse dieser Studie lassen darauf schließen, dass spezifische biologische Mechanismen bei der Regulierung der Fettverteilung mitwirken. Gene, die die Regulierung des Cholesterin-, Triglyzerid- und Insulinspiegels und die Entstehung von Insulinresistenzen beeinflussen, stehen offensichtlich auch in gewissem Zusammenhang mit der Fettverteilung. Europäische Fördermittel wurden durch Projekte des Fünften und Sechsten Rahmenprogramms (RP5 und RP6) bereitgestellt, insbesondere durch EURO-BLCS (Biological, clinical and genetic markers of future risk of cardiovascular disease), das unter der RP5-Haushaltslinie "Lebensqualität und Management lebender Ressourcen" finanziert wurde, sowie EUROSPAN (European special populations research network: quantifying and harnessing genetic variation for gene discovery), MOLPAGE (Molecular phenotyping to accelerate genomic epidemiology), PROCARDIS (A genome-wide mapping and functional genomics approach to elucidating precocious coronary artery disease) und EURODIA (Functional genomics of pancreatic beta cells and of tissues involved in control of the endocrine pancreas for prevention and treatment of type 2 diabetes), die von der EU zusammen mit mehr als 25 Mio. EUR unter dem Themenbereich "Biowissenschaften, Genomik und Biotechnologie im Dienste der Gesundheit" des Sechsten Rahmenprogramms (RP6) unterstützt wurden. Darüber hinaus erhielten die Studien Fördermittel im Rahmen von Marie-Curie-Stipendien für europäische Wissenschaftler in Europa (Intra-European Fellowship). An der Studie beteiligten sich Forscher aus Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Island, Italien, Kroatien, den Niederlanden, Österreich, Schweden, der Schweiz und dem Vereinigten Königreich.
Länder
Österreich, Schweiz, Deutschland, Dänemark, Estland, Finnland, Kroatien, Island, Italien, Niederlande, Norwegen, Schweden, Vereinigtes Königreich