Genetischer "An-Aus-Schalter" macht jeden Menschen einzigartig
Nach der Entschlüsselung des menschlichen Genoms im Jahre 2001 konnten die Genforscher es kaum erwarten, all jene Gene zu entdecken, durch die sich ein Mensch vom anderen unterscheidet. Ein deutsch-amerikanisches Forscherteam enthüllte nun, dass es nicht so sehr die Gene selbst sind, die diese Unterschiede verursachen, sondern die Art und Weise, wie sie reguliert, d.h. an- oder ausgeschaltet werden. Die Ergebnisse der Studie sind jetzt im Fachblatt Science nachzulesen. Die neue Erkenntnis von Forschern des Europäischen Labors für Molekularbiologie (EMBL), Deutschland, der Universität Yale, Vereinigtes Königreich, und der Universität Stanford, Vereinigte Staaten, markiert den Beginn einer neuen Sichtweise auf den menschlichen Körper, die der Wissenschaft auch im Kampf gegen Krankheiten zugutekommen könnte. Die Studie untersuchte so genannte nicht-kodierende Regionen im menschlichen Genom, die im Gegensatz zu Genen keine Informationen zur Herstellung von Proteinen tragen. Diese zwischen den Genen liegenden DNA-Abschnitte fungieren als Andockstellen für Transkriptionsfaktoren (TF). TF binden an bestimmte DNA-Abschnitte und schalten dadurch das betreffende Gen ein und aus. "Unseren Ergebnissen zufolge könnten viele der individuellen Unterschiede zwischen Menschen auf TF-Bindungsebene entstehen, was uns neue Einblicke in die genetischen Ereignisse hinter diesen Unterschieden verschafft", heißt es in der Studie. Das Forscherteam fand heraus, dass bis zu 25 Prozent aller Gene in jedem Menschen unterschiedlich reguliert werden, und dass die unterschiedliche TF-Aktivität zum Großteil von Veränderungen in der DNA-Sequenz abhängt, an die sie binden. Solche Mutationen sind manchmal nur ein einzelnes Basenpaar lang, können aber auch einen ganzen DNA-Abschnitt betreffen. Die Forscher sind auch der Überzeugung, dass Wechselwirkungen zwischen den Transkriptionsfaktoren eine Rolle spielen könnten. "In einem neu entwickelten Ansatz entdeckten wir, dass die Fähigkeit eines Proteins, ein Gen an- oder auszuschalten, in manchen Fällen durch Interaktionen mit Proteinen auf benachbarten DNA-Abschnitten beeinflusst wird", erklärte Dr. Jan Korbel vom EMBL. "Damit können wir besser verstehen, wo solche Wechselwirkungen stattfinden, ohne dass wir jedes einzelne regulierende Protein analysieren müssen." Den Forschern zufolge unterscheiden sich alle Menschen, selbst wenn sie das gleiche Gen besitzen, in der Art und Weise, wie ihre Zellen dieses Gen regulieren. Außerdem sei, so die Forscher, die Genregulierung zwischen zwei Menschen fast ebenso unterschiedlich wie zwischen einem Menschen und einem Schimpansen. Diese kleine Variation könnte den Forschern bedeutsame Aufschlüsse über die menschliche Evolution liefern. Wie Dr. Michael Snyder von der Stanford University darlegte, könnten die Ergebnisse einen grundlegend neuen Ansatz in der Erforschung des menschlichen Körpers und menschlicher Erkrankungen hervorbringen. "Wir sollten nicht nur nach Krankheitsgenen forschen, sondern auch danach, wie sich individuelle Variationen bei der Genregulation auf den Patienten auswirken", sagte er.
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