Wildvögel sterben an Vitaminmangel
Aus einer schwedischen Untersuchung geht hervor, dass im Ostseeraum zahlreiche Wildvögel an einer Lähmungserkrankung sterben, die durch einen Mangel an Thiamin, also Vitamin B1, hervorgerufen wird. Die in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlichten Untersuchungsergebnisse veranschaulichen, dass sich der B1-Mangel in einer erfolglosen Vermehrung, aber auch in zahlreichen anderen Änderungen des Verhaltensmusters vieler Arten äußert. Für Vögel und andere Wirbeltiere ist Thiamin lebensnotwendig. Ein Mangel an diesem Vitamin kann zu neurodegenerativen Erkrankungen, zu Sinnesstörungen, Lähmungen und gar zum Tod führen. Besonders wichtig ist Thiamin für die Funktionsweise der Nerven. Die Forscher hatten Wildvögel im Ostseeraum und in Island untersucht und dabei aufgezeigt, dass zwischen den Lähmungserscheinungen, die bei vielen Wildvögeln in diesen Gebieten beobachtet wurden, und dem Thiaminmangel ein Zusammenhang besteht. Bei der Analyse der geografischen Verbreitung des Mangels und der Anzahl der betroffenen Arten fanden sie heraus, dass die Vögel im Ostseeraum verstärkt an diesem Thiaminmangel litten und dass sich bei den Vogelpopulationen in Island ein solcher Mangel bereits abzeichnet. Das Forscherteam um Professor Lennart Balk von der Universität Stockholm stellte fest, dass sich der Thiaminmangel der Vögel in den Eiern, der Leber und im Gehirn nachweisen lässt. Zudem fanden sie eine überdurchschnittlich hohe Anzahl relevanter Enzyme in der Leber und im Gehirn der Vögel. Allerdings stellten sie fest, dass der Thiamin-Kofaktor fehlte, der für die Funktionsweise dieser Enzyme unerlässlich ist. Der Thiaminmangel, so erkannten die Autoren, äußert sich in unterschiedlicher Weise. Bei 78% der Wildvögel beobachteten sie Lähmungserscheinungen. Bei einigen Arten, wie etwa der Silbermöwe, sei eine verringerte Eierproduktion die Folge. Einige Arten legen gar keine Eier mehr, andere wiederum legen Eier, in denen allerdings kein Thiamin nachgewiesen werden kann. Diese Verschiedenheiten legen nahe, dass die Vögel an unterschiedlich starkem Thiaminmangel leiden. Darüber hinaus stellte das Team veränderte Verhaltensweisen fest: So wurde bei Wildvögeln ein weniger aggressives Verhalten beobachtet, bei Silbermöwenkolonien ein verringerter Lärmpegel und bei einigen anderen Arten Mängel beim Nestbau. Zudem deutet die Untersuchung auf einen Zusammenhang mit der Geflügelgrippe hin, da die Möglichkeit bestehe, dass sich diese Krankheit unter Wildvögeln mit geringem Thiaminspiegel schneller verbreitet. Die Forscher sind der Ansicht, dass die höhere Sterblichkeitsrate und die erfolglose Vermehrung der Wildvögel im Ostseeraum zwei Aspekte eines weit verbreiteten Thiaminmangels sind, der in den vergangenen Jahrzehnten zu einem Rückgang der Wildvogelpopulationen insgesamt beigetragen haben könnte. Die in der Vergangenheit beobachteten Lähmungserscheinungen, die immer häufiger auftretenden Fälle, bei denen die Tiere frühzeitig sterben, sowie die erfolglose Vermehrung in den letzten Jahrzehnten wurden bislang auf einen Nahrungsmangel zurückgeführt. Die aktuelle Untersuchung zeigt jedoch, dass als genauere Ursache Thiaminmangel in Betracht gezogen werden muss, da dieser aufgrund einer appetitzügelnden Wirkung zum Hungertod führt. Die Autoren gehen davon aus, dass Nahrungsmangel allein noch keinen Thiaminmangel bei den Vögeln verursacht. Vielmehr könnte der Mangel durch einen unmittelbaren Organismus verursacht werden, der sich auf den Thiaminspiegel der Vögel auswirkt, oder auch durch eine zu geringe Thiaminzufuhr über die Nahrungskette. Die Forscher machen darauf aufmerksam, dass zur genaueren Bestimmung der Ursachen des Thiaminmangels bei Wildvögeln weitere Forschungsarbeit vonnöten ist.
Länder
Schweden