Studie belegt Bedrohung europäischer Vögel durch Klimawandel
Die Auswirkungen des Klimawandels sind an der europäischen Vogelwelt bereits deutlich ablesbar, zu diesem Schluss kamen tschechische, niederländische und britische Wissenschaftler in einer neuen Studie, nachdem sie erstmals einen Indikator für die Auswirkungen von Klimaveränderungen auf wildlebende Tiere in Europa entwickelt hatten. Der Indikator zeigt deutlich, dass einige Arten zwar von der Erderwärmung profitieren, die Vielfalt der meisten Arten dadurch jedoch zurückgeht. Die Forschungsergebnisse wurden im Fachjournal PLoS ONE präsentiert. "Man hört viel über den Klimawandel, aber unsere Studie zeigt, dass die Auswirkungen schon jetzt spürbar sind. Demzufolge sind drei Viertel der untersuchten Arten von den Veränderungen stark negativ betroffen", sagte Dr. Richard Gregory von der königlich britischen Gesellschaft für Vogelschutz (Royal Society for the Protection of Birds) als leitender Autor der Studie. "Obwohl sich der globale Temperaturanstieg bislang noch in Grenzen hält, ist das Ausmaß der Veränderungen in Wildtierpopulationen jetzt schon erschreckend. Und der Indikator zeigt, dass wir mit dem Schlimmsten zu rechnen haben, wenn wir nicht rechtzeitig den Fuß vom Gaspedal nehmen. Wir müssen verhindern, dass die globale Durchschnittstemperatur die magische Grenze von zwei Grad überschreitet, denn sonst werden die Folgen für unsere Erde verheerend sein", warnte Dr. Gregory. Seit einigen Jahren häufen sich die Beweise dafür, dass die Tiere der freien Wildbahn die Auswirkungen des Klimawandels zu spüren bekommen. Die Daten belegen beispielsweise Veränderungen bei der Verbreitung oder Abundanz von Tieren und Pflanzen, und auch zeitliche Abläufe, z.B. bei der Fortpflanzung oder bei Wanderungsbewegungen verschieben sich. Allerdings existierte bislang kein Indikator, mit dem sich die Auswirkungen des Klimawandels auf die Tierwelt Europas auf einfache Weise darstellen lassen. In dieser jüngsten Studie griffen die Wissenschaftler auf Daten des Pan-European Common Bird Monitoring Scheme (PECBMS) zurück, das die Beobachtungsdaten europäischer Vögel zusammenfasst, und entwickelten daraus einen Indikator für den Zustand der gesamten Umwelt. Vögel eignen sich gut als Indikatoren, da sie in ganz Europa verbreitet sind, sich schnell auf Veränderungen einstellen und von vielen freiwilligen Feldornithologen beobachtet werden, die regelmäßig und umfassend Vogelzählungen vornehmen. Für die Studie werteten die Forscher im Zeitraum von 1980 bis 2005 bei über 100 Vogelarten in 20 europäischen Ländern Langzeitentwicklungen in den Brutbeständen aus. In Europa brüten mehr als 500 Vogelarten. Die beobachteten Vögel sind über den ganzen Kontinent verbreitet, darunter sind sowohl häufige als auch seltenere Arten. Die Wissenschaftler kombinierten diese Daten mit Modellen über die zu erwartende Anpassung der Vogelpopulationen an klimatische Veränderungen. Wenn also eine gegebene Vogelpopulation sich entsprechend den Vorhersagen des Modells verändert, steigt der Indikator, bei gegenläufigem Trend hingegen sinkt er. Dr. Stephen Willis von der Durham University im Vereinigten Königreich vergleicht den Indikator mit dem Financial Times Stock Exchange (FTSE), dem wichtigsten britischen Börsenindex führender Geschäftsunternehmen im Vereinigten Königreich. "Im Unterschied dazu greifen wir jedoch nicht die wechselnden Geschicke von Unternehmen auf, sondern zeigen die Veränderungen der Biodiversität in Folge des Klimawandels", erklärte er. "Im Gegensatz zum FTSE, der sich gegenwärtig auf dem niedrigsten Stand seit 6 Jahren befindet, steigt der Klimawandel-Index seit Mitte der 80iger Jahre kontinuierlich an und belegt den zunehmenden Einfluss des Klimas auf die biologische Vielfalt. "Vögel, denen wir gute Chancen unter den sich verändernden klimatischen Bedingungen einräumen, konnten seit den 1980iger Jahren ihren Lebensraum ausdehnen. Hingegen ist die Anzahl der Vögel, denen wir schlechte Prognosen gaben, im gleichen Zeitraum zurückgegangen", erklärt er. "Das Schlimme ist, dass 75% aller von uns beobachteten Arten von diesem Rückgang betroffen sind." Die Wissenschaftler weisen auf die Bedeutung dieses neuen Indikators hin, insbesondere "für politische Entscheidungsträger, die die Auswirkungen auf die Natur in jährlichen Abständen aufgezeigt bekommen und unmittelbare Rückmeldungen zu ihren politischen Maßnahmen erhalten." Eine viel versprechende politische Zielstellung sehen die Verfasser der Studie in der Verlangsamung des Indikatoranstiegs, obwohl Politiker sich klar darüber sein müssten, dass dies nur langfristig zu erreichen sei. Allerdings vermelden die Wissenschaftler, dass der Indikator von der Europäischen Union bereits als offizieller Maßstab für die Auswirkungen des Klimawandels auf Europas Tierwelt anerkannt wurde.
Länder
Tschechien, Niederlande, Vereinigtes Königreich