Anstieg des Meeresspiegels noch höher als erwartet?
Der Meeresspiegel könnte noch viel weiter ansteigen, als Langzeitvorhersagen es ahnen lassen, selbst wenn die heutigen Kohlendioxidemissionen (CO2) stabilisiert werden, so die Aussage eines in dieser Woche in der Fachzeitschrift Nature Geoscience veröffentlichten neuen Berichts. Die Studie mit dem Titel "Antarctic temperature and global sea level closely coupled over the past five glacial cycles" wurde von Forschern des National Oceanography Centre Southampton (NOCS) und der Universität Bristol, beide Vereinigtes Königreich, gemeinsam mit Kollegen der Universität Tübingen, Deutschland, durchgeführt. Das Team rekonstruierte die Meeresspiegeländerungen über die vergangenen 520.000 Jahre in ihrem Verlauf und verglich sie mit Daten zum Klimawandel und zu Kohlendioxidkonzentrationen aus antarktischen Eisbohrkernen. Die Ergebnisse legen nahe, dass der Meeresspiegel weit über die langfristigen Vorhersagen des vierten Berichts des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) hinaus ansteigen könnte. Dieser sogenannte Weltklimarat ist ein Beratungsgremium zur Bereitstellung objektiver Informationen über den Klimawandel. Die Forschungsresultate zeigen einen systematischen Zusammenhang zwischen globaler Temperatur, CO2-Konzentration und Veränderungen der Meerspiegelhöhe über die letzten fünf Eiszeitperioden hinweg. Wenn dieser Zusammenhang auf heutige CO2-Konzentrationen übertragen wird, ergibt dies einen enormen Anstieg des Meeresspiegels um bis zu 25 Meter. Die Zahlen stimmen mit Daten überein, die für die Epoche des Mittleren Pliozäns - der Zeit vor 3 bis 3,5 Millionen Jahren - erhoben wurden, als der atmosphärische CO2-Gehalt ähnliche Werte wie heute erreichte. "Wir betonen allerdings, dass dieses Gleichgewicht sich erst über mehrere Tausend Jahre einstellen würde. Dennoch ist die große Differenz zwischen dem erwarteten hohen Meeresspiegel und dem heutigen Stand des Meeresspiegels besorgniserregend", kommentieren Professor Michal Kucera von der Universität Tübingen und Dr. Mark Siddall von der Universität Bristol. "Die jüngere geologische Geschichte zeigt, dass es in Zeiten ähnlich großer Ungleichgewichte häufig Schübe mit sehr schnellen Meeresspiegeländerungen gab. So haben sich zuweilen Raten von einem bis zwei Meter Anstieg pro Jahrhundert oder sogar noch mehr ergeben." Derzeit liegen keine ausreichenden Erkenntnisse über den möglichen Gesamtanstieg des Meeresspiegels im Vergleich zu aktuellen und prognostizierten globalen Erwärmungsraten vor. Eisschichten schmelzen selbst dann langsam, wenn die Temperaturen schnell steigen, und die aktuellen Prognosen für das kommende Jahrhundert berücksichtigen nur das Abschmelzen in diesem Zeitraum. So ist es sehr schwierig abzuschätzen, wie schnell die Eismassen unter den gegebenen Bedingungen des Klimawandels im nächsten Jahrtausend schmelzen werden. Der Hauptautor des Berichts, Professor Eelco Rohling von der School of Ocean and Earth Science der Universität Southampton, fasst zusammen: "Wenn wir davon ausgehen, dass die von uns beobachteten natürlichen Zusammenhänge zwischen CO2, Temperatur und Meeresspiegel ein sinnvolles Modell für eine Zukunft mit anhaltender globaler Erwärmung darstellen, dann ist statistisch abgesichert langfristig ein starker Anstieg des Meeresspiegels zu erwarten." "Selbst wenn wir alle CO2-Emissionen heute einfrieren und den aktuellen Wert (387 ppmv, d.h. Teile Kohlendioxid pro einer Million Teile Luft) halten könnten, würde der Meeresspiegel bis auf einen Wert von 25 Metern über der heutigen Höhe weiter ansteigen. Das heißt, er würde bis auf einen Wert ansteigen, wie er für das Mittlere Pliozän gemessen wurde."
Länder
Deutschland, Vereinigtes Königreich