Wie der Schwarzgefleckte Bläuling vor dem Aussterben gerettet wurde
Wissenschaftler im Vereinigten Königreich haben die Ursache der Beinahe-Ausrottung des großen Schwarzgefleckten Bläulings (Maculinea arion) ergründet und den Fall zur Erfolgsgeschichte umgeschrieben. Die in der Fachzeitschrift Science veröffentlichte Lösung eines seit Langem bestehenden Problems hat gangbare Wege und wertvolle Werkzeuge für andere Insektenschutzvorhaben aufgezeigt. Der Erfolg der Forscher war zum Teil ein Ergebnis des mit 3 Mio. EUR im Rahmen des Themenbereichs "Energie, Umwelt und nachhaltige Entwicklung" des Fünften Rahmenprogramms (RP5) finanzierten MACMAN-Projekts ("Maculinea butterflies of the habitats directive and European red list as indicators and tools for habitat conservation and management"), das die Rolle von fünf höchstgefährdeten europäischen Schmetterlingen als Indikatoren für die Grünlandbiodiversität analysieren sollte. Der schöne Schwarzgefleckte Bläuling wurde 1974 nach Beginn seines langen Populationsrückgangs seit der Mitte des 19. Jahrhunderts und einem dramatischen Absinken nach 1950 als eine der drei Schmetterlingsarten benannt, die zum "globalen Flaggschiff" des Schmetterlingsschutzes wurden. Trotz einer lange andauernden Schutzinitiative galt die Art 1979 im Vereinigten Königreich als ausgestorben. Den Autoren zufolge gab es bereits 1931 Bemühungen, lokale Populationen durch den Bau von Zäunen vor Schmetterlingssammlern und Vieh zu schützen. Unglücklicherweise hatte gerade das die gegenteilige Wirkung: Es wurden die Pflanzenfresser ausgesperrt, die einen Teil des speziellen Lebensraums der Bläulinge bilden. Professor Jeremy Thomas von der University Oxford und dem Centre for Ecology and Hydrology im Vereinigten Königreich und seine Kollegen arbeiteten seit den frühen Siebzigern daran, den Niedergang der beliebten Schwarzgefleckten Bläulinge an scheinbar unveränderten Stellen in der Landschaft zu verstehen. Die Untersuchungen dazu fanden im Dartmoorgebiet - der durch den Nationalparkstatus geschützten letzten Hochburg des Schmetterlings - statt. Sie fanden heraus, dass hinter den Populationsveränderungen überraschenderweise Ameisen stecken. So hängt das Wohl und Wehe des Schwarzgefleckten Bläulings - was seine Fortpflanzung betrifft - tatsächlich von einer einzelnen Ameisenart (Myrmica) ab. Die Schmetterlingsweibchen legen ihre Eier auf Thymianblüten ab; nach dem Schlüpfen fallen die kleinen Raupen schließlich zu Boden, wo sie eine raffinierte List anwenden. Sie sondern Duftstoffe ab, die die Ameisen anziehen und sie dazu bringen, die Raupen als Ameisenlarven zu adoptieren. Die getäuschten Ameisen tragen die Raupen dann in ihre Nester und betreuen sie zehn Monate lang als ihresgleichen, wobei die wachsenden Raupen sogar ungestraft die Ameisenbrut vernascht. Anfang Juni verpuppen sich die Raupen nahe dem Kolonieausgang und schlüpfen zwei Wochen später oberirdisch als Falter. Die Forscher stellten schließlich durch ihre Beobachtungen fest, dass das Gras in den Schmetterlingshabitaten schlicht und einfach zu lang war. Die Bauern hatten immer seltener Vieh auf den Grasflächen weiden lassen und die in den fünfziger Jahren einer Virusinfektion zum Opfer gefallenen wilden Kaninchen konnten das Gras auch nicht mehr abfressen. Somit überwucherte der Lebensraum der Ameisen, die Bodentemperaturen sanken und die Ameisenpopulationen wurden verdrängt. Leider verschwanden auf diese Weise auch die Bläulinge. Die extreme Abhängigkeit des Schmetterlings von den Ameisen wurde bis vor kurzem nicht in seiner gesamten Tragweite eingeschätzt. "Menschen sind so viel größer als Insekten; es ist für uns wirklich schwer einzuschätzen, dass eine für uns kaum wahrnehmbare Veränderung eines Lebensraums für eine Art wie die etwas bizarren und wunderschönen Bläulinge regelrecht verheerende Folgen haben kann. Ein Unterschied in der Graslänge von nur einem Zentimeter kann die Bodentemperatur um 2 oder 3 Grad Celsius verändern. Wenn man die Größe einer Ameise oder eines Schmetterlings hat, ist dieser Unterschied enorm", erklärt Professor Thomas. Die zwischen 1972 und 1977 gesammelten Daten wurden erst kürzlich veröffentlicht, nachdem der Schwarzgefleckte Bläuling dank einer Population des Maculinea arion aus Öland, Schweden, erfolgreich im Vereinigten Königreich wieder angesiedelt werden konnte. Dies ist eine von nur drei Schmetterlingsarten im Vereinigten Königreich, von denen man erwartet, dass sie das Ziel des "Übereinkommens über die biologische Vielfalt" zur Umkehrung des Artenrückgangs bis 2010 erfüllen wird. Die Wissenschaftler stellten außerdem ein numerisches Modell vor, in das alle relevanten ökologischen Beziehungen integriert sind. Das Modell sagte die Schmetterlingszahlen für Zeiträume von 10 bis 20 Jahren erfolgreich voraus. "Die Lebenszyklusdaten und die Lebensdauertabellen ergaben ein Modell, auf dem alle unsere Anstrengungen zum Schutz beruhten. Die Beschreibung dieses Modells ist gleichfalls neu. Es sind nur wenige Beispiele von Modellen bekannt, die in der Lage sind, den Erfolg von Naturschutzanstrengungen vorherzusagen, wie unser Modell das für Insekten kann", verdeutlicht Professor Thomas. Seit 1983 hatte das Forscherteam mit der Wiederansiedlung der Schwarzgefleckten Bläulinge an Stellen begonnen, die ihren Ansprüchen an einen Lebensraum entsprechen. 2008 waren die Schmetterlingskolonien deutlich größer und häufiger, als sie es in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts waren. Laut der Studie werden "heute auf Grundlage der Ergebnisse aus dem Vereinigten Königreich erfolgreiche, aber in kleinerem Maßstab erfolgende Maßnahmen auch in anderen Ländern durchgeführt, und so konnte Maculinea arion auf der globalen Liste glücklicherweise von "gefährdet" auf "gering gefährdet" rücken. Die Veröffentlichung dieser langfristigen Studie liefert wertvolle Daten und Werkzeuge für die Wissenschaftler, die an der Wiederansiedlung anderer Schmetterlingsarten arbeiten. Vier verwandte Sorten Bläulinge sind weltweit bedroht - sie konnten von dem durch Professor Thomas und seine Kollegen erarbeiteten Ansatz zur Erhöhung ihrer Anzahl profitieren. Ein natürliche Gemeinschaften berücksichtigender Ansatz zum Artenschutz wäre ratsam, schreiben die Autoren. "Da viele andere gefährdete Arten in Habitaten im Vereinigten Königreich nach dem auf Maculinea arion abzielenden Management zunahmen", schließt die Studie, "kann erfolgreicher, auf Arten und natürlichen Gemeinschaften basierender Schutz für Insekten unserer Einschätzung nach auf unterschiedlichen Wegen zum gleichen Ziel führen."
Länder
Vereinigtes Königreich