Europäische Wissenschaftler erforschen Gebärmutterhalskrebs
Gebärmutterhalskrebs (Zervixkarzinom) ist weltweit die zweihäufigste Krebsart. Allein in Europa werden jährlich 60.000 Frauen mit dieser Krankheit diagnostiziert, und jede zweite erkrankte Frau stirbt daran. Eine erfolgreiche Therapie ist schwierig, wenn die Krankheit nicht im Frühstadium erkannt und behandelt wird. In diesem Sinne plante das von der EU mit 2,63 Mio. EUR finanzierte Projekt ASSIST (Association studies assisted by inference and semantic technologies) die technologische Vernetzung von Klinikzentren, die sich auf die Diagnose und Therapie von Gebärmutterhalskrebs spezialisiert haben. Außerdem arbeitete man auf einen verbesserten Datenaustausch und die Einrichtung eines übergreifenden Datenpools hin. Obwohl die Wissenschaftler im humanen Papillomavirus (HPV) die Hauptursache für Gebärmutterhalskrebs sehen, spielen auch noch andere Faktoren eine Rolle. Beispielsweise untersucht man genetische und umweltbedingte Einflüsse als begünstigende Faktoren für HPV-Infektionen und das Fortschreiten der Krankheit. Vergangene Studien deuten auf bestimmte pathogene Mechanismen hin, die neue Hinweise zu Risiken, Diagnose, Prognose und damit auch neue therapeutische Ansätze liefern könnten. Ziel von ASSIST war die Zusammenführung der unterschiedlichen Arten von wissenschaftlichen Daten, die automatisierte Auswertung medizinischer Hypothesen, die Entwicklung einer Suchmaschine für die statistische Auswertung von Material sowie die Einrichtung eines zentralen Dokumentenservers für alle Patientenakten der beteiligten Einrichtungen. Außerdem sollten graphische Werkzeuge entwickelt werden, mit denen die Mediziner Daten abfragen können. Assoziationsstudien unterstützen die Medizinforscher bei ihrer Suche nach typischen Krankheitsauslösern und dienen der Auswertung von klinischen Daten aus Krankenhausstudien, von Lebensgewohnheiten (z.B. Rauchen und Ernährung) sowie genetischen Daten. Die Forscher können auch die Werte kranker mit den Werten gesunder Patienten vergleichen. "Unser Ziel ist es, zwischen medizinischen Forschern in Spezialkliniken und medizinischen Zentren einen Datenaustausch zu ermöglichen und diese Daten in einen umfangreicheren Pool zu integrieren, um mit ihnen arbeiten zu können", erklärte Professor Pericles Mitkas von der Stiftung für Forschung und Technologie Hellas, Institut für Computerwissenschaften Informatik und Telematik, Griechenland. "Das Problem besteht darin, dass jedes Krankenhaus unterschiedliche Arten und Formate der Datenspeicherung verwendet, auch bei absolut gleichen Tests", sagte der Projektkoordinator. "Häufig arbeitet selbst innerhalb ein und desselben Krankenhauses jeder Mediziner nach einer eigenen Methode." Laut Professor Mitkas bestand die größte Leistung des ASSIST-Projekts darin, den Dialog zwischen Ärzten, Molekularbiologen und Computerwissenschaftlern zu fördern. "Sie kommunizieren miteinander, und nach und nach verstehen sie auch die technischen Termini des Anderen", erklärte er. Drei Krankenhäuser in Belgien, Deutschland und Griechenland nahmen am ersten Projektabschnitt teil. Nach Absprache der verwendeten Terminologie, der Art der Datenrepräsentation und der Zugangsmodalitäten entwickelte die Arbeitsgruppe den Prototypen einer Softwareplattform, um Forschern den Datenempfang im benötigten Format zu ermöglichen. "Grundlage dessen ist die semantische Repräsentation, d.h. wir ordnen jedem Wert eine Interpretation zu, damit der Computer lernt, was der jeweilige Wert bedeutet", sagte der Projektleiter. "Auch subjektive Werte wie 'hohes Risiko', 'niedriges Risiko', 'schwerer Fall' oder 'leichter Fall' können interpretiert werden. Außerdem verwenden wir Suchmaschinen, die nach einem von Ärzten definierten medizinischen Regelkatalog arbeiten, und aus denen der Computer lernt, welche Ergebnisse am aussagekräftigsten sind", sagte er. "Biopsieergebnisse zum Beispiel sind relevanter als Pap-Test-Ergebnisse und können ein Vorkrebsstadium dort indizieren, wo ein Pap-Test versagen würde." Über die Prototypenplattform von ASSIST haben Forscher Zugang zu Patientenakten in gynäkologischen und Geburtshilfestationen der drei Krankenhäuser. "Später werden weitere Funktionen hinzukommen, aber bis dahin haben Mediziner nun zumindest ein Instrument, mit dem sie arbeiten und evaluieren können", sagte Professor Mitkas. "Mehr Wissen über die Krankheitsentwicklung und deren Auslöser kann die Diagnose beschleunigen sowie zur Verhinderung durch geeignete Präventionsmaßnahmen und zur Entwicklung von Medikamenten oder Therapien für diese Krankheit beitragen", sagte er. "Primär jedoch ist ASSIST ein Instrument für medizinische Forscher, und von den Ergebnissen ihrer Arbeit können alle Frauen profitieren."