Wissenschaftler entdecken Gen, das Tuberkulose-Erreger inaktiv bleiben lässt
Wissenschaftler eines EU-geförderten Projekts haben ein Gen entdeckt, das darüber entscheidet, ob ein Tuberkulose-Erreger inaktiv im Körper verbleibt oder sich in einen aktiven Erreger verwandelt, um Tuberkulose auszulösen. Die Entdeckung könnte als Grundlage für neue Medikamente gegen eine Krankheit dienen, an der mehr Menschen sterben als durch jede andere bakterielle Infektion. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist ein Drittel der Weltbevölkerung mit Mycobacterium tuberculosis infiziert, und jährlich werden bis zu 10 Millionen Neuinfektionen verzeichnet, von denen 20% tödlich enden. Bei vielen Menschen jedoch kommt es nicht unmittelbar nach der Tuberkulose-Infektion auch zum Ausbruch der Krankheit. Stattdessen überdauert der Erreger in inaktivem Zustand im Körper, eingeschlossen in eine Kapsel, die der Wirtsorganismus zum Schutz gebildet hat. In diesem Zustand kann er jahre- oder jahrzehntelang überdauern, bevor er aktiv wird und die Krankheit ausbrechen lässt. Dies geschieht oft dann, wenn das Immunsystem des Wirts durch schlechte Ernährung oder eine Immunschwächekrankheit wie z.B. HIV geschwächt ist. Im Rahmen dieser neuen Forschungsstudie untersuchten Wissenschaftler der Max-Planck-Gesellschaft in Deutschland und der Yonsei-Universität in Südkorea den inaktiven Zustand des Erregers und die Mechanismen, die für sein Erwachen und seine Reaktivierung verantwortlich sind. Die Ergebnisse der Studie wurden in der Fachzeitschrift "Cell Host and Microbe" veröffentlicht. Die Forscher beschäftigten sich mit zwei Varianten von Erregern, die sich in einem ausschlaggebenden Punkt unterscheiden: Während der Stamm H37Rv Tuberkulose auslöst, ist der Stamm H37Ra harmlos und verharrt inaktiv in den Zellen des Wirts. "Dem unterschiedlichen Verhalten der zwei Stämme liegen winzige genetische Unterschiede zugrunde", sagt Professor Stefan Kaufmann von der Abteilung Immunologie am Max-Planck-Institut. Die Forscher entdeckten, dass diese Unterschiede auf eine Punktmutation in einem Gen zurückzuführen sind, das für das Protein PhoP in dem harmlosen Stamm H37Ra codiert. "Ein intaktes PhoP ist also offenbar notwendig, damit das Bakterium die Schwindsucht auslösen kann", erklärt Professor Kaufmann. PhoP ist ein Transkriptionsfaktor, der an die DNA bindet und so die Aktivitäten von anderen Genen steuert. Die mutierte Form des Gens ist nicht mehr in der Lage, sich ordnungsgemäß an die DNA zu binden. Als Nächstes mussten die Wissenschaftler herausfinden, welche Gene PhoP steuert. Bei ihren Experimenten stießen sie auf das sogenannte Dormanz-Regulon. Diese Gruppe von Genen codiert für Proteine, die den Ruhezustand des Bakteriums einleiten und aufrecht erhalten. Im harmlosen Stamm H37Ra waren diese Gene weit aktiver als im Stamm H37Rv, der zum Ausbruch der Krankheit führt. "Wahrscheinlich unterdrückt das intakte PhoP die Gene des Dormanz-Regulons und leitet so das Erwachen des Bakteriums ein", vermutet der Professor. Eine defekte Version des Proteins macht den Erreger weniger gefährlich, da sie sein Erwachen verhindert. "Auf jeden Fall brauchen wir dringend Medikamente, die das ruhende Bakterium angreifen", betont Professor Kaufmann. "Nur so kann die außerordentlich lange Behandlungszeit von derzeit sechs Monaten deutlich verkürzt werden. Genauere Erkenntnisse über die Überdauerungsstrategien des Tuberkulose-Erregers bieten nun erste Ansätze für die Entwicklung neuer Medikamente, die dringender gebraucht werden denn je, weil sich Antibiotika-resistente Tuberkulose-Bakterien immer weiter ausbreiten." Die Forschungsarbeit wurde im Rahmen der thematischen Priorität "Biowissenschaften, Genomik und Biotechnologie im Dienste der Gesundheit" des Sechsten Rahmenprogramms (RP6) durch das EU-finanzierte Projekt TB-VAC (Design and testing of vaccine candidates against tuberculosis) unterstützt.
Länder
Deutschland, Südkorea