Wenn Chemikalien nach unserer Pfeife tanzen
Dr. Matthias Kübel von der Ludwig-Maximilians-Universität München hat im Rahmen des EU-Projekts ATTOCHEM wichtige Fortschritte beim Einsatz von Lasern zur Erforschung chemischer Reaktionen erzielt. Mit Unterstützung des Marie-Curie-Programms verbrachte Dr. Kübel zwei Jahre beim Nationalen Forschungsrat in Ottawa, Kanada, in denen er sich der Erforschung von Elektronen und Kernen bei fotochemischen Reaktionen widmete – Reaktionen, die durch Lichtabsorption ausgelöst werden. Darüber hinaus erforschte er auch Möglichkeiten zur Steuerung von Molekülen. Dr. Kübel ist der Überzeugung, dass seine Forschung dazu beiträgt, die Bewegung von Elektronen während fotochemischer Reaktionen wie der pflanzlichen Fotosynthese sowie DNA-Schäden und Sehprozesse im menschlichen Auge besser zu verstehen. Ein besseres Verständnis könnte dabei helfen, diese chemischen Reaktionen zu steuern und somit Durchbrüche bei der Verhinderung von DNA-Schäden, die zu Krebs führen können, oder der Entwicklung neuer umweltfreundlicher Energiequellen zu erzielen. „Man kann sich ein Biomolekül als eine kleine Maschine vorstellen, die eine bestimmte Aufgabe erfüllt“, erklärt er. „Die Maschinen werden eingeschaltet, wenn eines (oder mehrere) ihrer Elektronen angeregt wird. Dies führt zu einer Elektronenbewegung, einem Strom im Molekül.“ „Bisher konnten wir die Struktur unserer kleinen Maschinen zwar visualisieren, aber die Möglichkeiten, zu sehen, wie sie funktionieren, waren rar.“ Im Labor des Nationalen Forschungsrates entwickelte Dr. Kübel eine Methode, um diese kleinen Maschinen bei der Arbeit zu sehen und die Elektronen- und Kerndynamik einer schnellen chemischen Reaktion abzubilden. Das ist eine ziemliche Leistung, da sich die Elektronen schnell bewegen – typischerweise in der Größenordnung von Femto- oder sogar Attosekunden (0,000000000000000001 Sekunden). Eine Attosekunde verhält sich zu einer Sekunde wie eine Sekunde zum Alter des Universums. Im Rahmen seiner Arbeit entwickelte Dr. Kübel eine neuartige Streak-Kamera, mit der sich die Bewegung von Elektronen in starken Laserfeldern im Attosekundenbereich messen lässt. Er nannte diese Methode die STIER-Technik. Die kürzesten Zeiträume in der Natur Eine herkömmliche Streak-Kamera besteht aus zwei Platten, an die eine sich schnell ändernde Spannung angelegt wird. Die variierende Spannung wird zur Abbildung eines zeitabhängigen Signal auf einen positionsempfindlichen Detektor verwendet, wobei der Ort nach der Zeit abgeleitet wird. Für Dr. Kübels Belange war diese Kamera jedoch nicht schnell genug. Daher ersetzte er die wechselnde Spannung durch ein Infrarot-Laserfeld. „Das elektrische Feld variiert in gut kontrollierten Umgebungen mehr als 1 000 Mal schneller als dies mit herkömmlicher Elektronik möglich ist“, sagt er. Dadurch konnte er die Zeitabhängigkeit der Starkfeldionisation auf die Endgeschwindigkeit der Fotoelektronen abbilden. Anschließend maß er ihre Geschwindigkeit im Attosekundenbereich mit einem Fotoelektronenspektrometer. Unter ATTOCHEM wurde nicht nur die Bewegung von Molekülen beobachtet, sondern auch bewiesen, dass die STIER-Technik eine Möglichkeit sein könnte, den Zusammenhalt eines Moleküls vorübergehend zu verändern. „Wir können steuern, bei welchen Geometrien sich ein Molekül spaltet und bei welchen nicht“, so Dr. Kübel. „Wir haben dies an einem sehr einfach aufgebauten Wasserstoffmolekül getestet und bemerkenswerte Ergebnisse erzielt, die sich in hohem Maße von den bisherigen Beobachtungen unterscheiden.“ Außerdem erweiterte er seine Methode, um Bindungen in Acetylengas selektiv zu spalten. Dr. Kübel freut sich darauf, seine Forschung in Deutschland an komplexeren Molekülen fortzusetzen: „Die Entwicklung neuer Chemikalien und das Aufzeigen neuer Reaktionswege mithilfe von Laserlicht ist der Traum der kohärenten Quantenkontrolle.“
Schlüsselbegriffe
ATTOCHEM, Elektronen, Moleküle, Streak-Kamera, chemische Reaktionen, DNA, Fotosynthese