Das Geheimnis der Insekten enthüllt
Insekten machen mehr als die Hälfte aller auf der Erde lebenden Arten aus und haben enormen Einfluss auf natürliche oder anthropogene Ökosysteme. Der menschlichen Gesellschaft dienen sie als wichtige Modellorganismen, können aber auch gefährliche Schädlinge oder Krankheitsüberträger sein. Angesichts der hohen ökologischen Spezialisierung von Insekten stehen viele Arten durch die Zerstörung der Lebensräume bereits kurz vor dem Aussterben, noch bevor sie überhaupt richtig erforscht oder klassifiziert sind. Das EU-finanzierte interdisziplinäre Projekt BIG4 sollte die vier größten Insektengruppen (Käfer; Bienen, Ameisen und Wespen; Fliegen und Mücken sowie Motten und Schmetterlinge) und deren mögliche Ökosystemdienstleistung bewerten. Dabei arbeiteten Wissenschaft und Industrie zusammen beim Einsatz modernster Methoden der Genomik, Phylogenetik und Informatik, also allem, was die Ausbildung von Nachwuchsforschern erfordert. „Die Idee war, Hotspots der weitgehend unbekannten Insektenvielfalt genauer zu erforschen, um ihr ökonomisches und gesellschaftliches Potenzial besser zu verstehen“, erklärt Projektkoordinator und Marie Skłodowska-Curie-Stipendiat Prof. Alexey Solodovnikov. Innovative Methoden der Insektenforschung Die Nachwuchsforscher starteten mehrere synergistische und komplementäre Projekte zu verschiedenen Themen, vor allem zur Entwicklung und Taxonomie spezifischer Insektengruppen. Sie entwickelten eine digitale Infrastruktur zur Erfassung und Veröffentlichung von aussagefähigen Biodiversitätsdaten zu Insekten. Das BIG4-Team belegte damit das enorme Potenzial künstlicher Intelligenz, neue Insektenarten mit beispielloser Geschwindigkeit und Präzision zu entdecken. Für Hobbyforscher und -entomologen, aber auch professionelle Wissenschaftler wurde dabei ein bildgestütztes Identifikationswerkzeug entwickelt, das mit modernster Bilderkennung arbeitet. Für die Biodiversitätsforschung setzte BIG4 Verfahren aus der Metagenomik ein, die das Umwelt-Monitoring und sogar die Artenforschung revolutionieren könnten. Außerdem entwickelten die Forscher Methoden zur Erfassung phylogenetischer Daten von fossilen oder schlecht konservierten neueren Arten. Auf diese Weise können die evolutionären Beziehungen zwischen den Hauptlinien von Gallwespen, Motten, Fliegen und Käfern genauer geklärt werden. Weiterhin gelang es ihnen, mit neuen Protokollen seltene Exemplare und Fossilien in beispiellosem Detail zu untersuchen. BIG4 ging allerdings noch weiter und nutzte diese Methoden, um evolutionäre Aspekte bei Insekten zu untersuchen, etwa die Anpassung der Flügel an verschiedene Flugmodi. Neueste Verfahren der DNA-Sequenzierung lieferten BIG4 wichtige phylogenetische Informationen. Prof. Solodovnikov zufolge „kann die Extraktion fossiler DNA aus Museumsproben, die bisher nicht anhand ihrer DNA klassifiziert wurden, künftig die Artenforschung revolutionieren“. Neue Ära in der Insektenforschung Gemeinsam enthüllte BIG4 den evolutionären Ursprung mehrerer Insektenstämme und nutzte hierfür ein breites Spektrum an modernen, innovativen Ansätzen, um die Phylogenomik von Insekten besser zu strukturieren. Das Projekt ist eine der wenigen, in enormem Umfang finanzierten Initiativen, die jene Segmente biologischen Lebens auf der Erde mit der höchsten Konzentration und am wenigsten bekannten Diversität untersuchen. Mit Blick auf die Zukunft ist Prof. Solodovnikov überzeugt, dass „BIG4 mit der etablierten Praxis gebrochen hat, sich eher mit größeren, dafür aber weniger abundanten Organismen zu befassen. Die Gruppe ausgebildeter Nachwuchsforscher, die bald ihre eigenen Forschungsteams gründen werden, wird dieses Erbe fortsetzen und in die künftige Insektenforschung investieren.“ BIG4 zeigte auf, wie wichtig Finanzierung und Förderung sind, um diese verborgene biologische Mega-Vielfalt und damit die Tierwelt und ihre Funktionen weiter zu erschließen.
Schlüsselbegriffe
BIG4, Insekten, Evolution, Phylogenese, DNA, Biodiversität, Fossil, Informatik, Taxonomie